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08.07.2024 /16:26:25
Experten halten Ampel-Wachstumspaket nicht für durchschlagskräftig genug

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Ökonom: Bis zu 0,2 Prozent mehr Wachstum 2025 drin



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Ampel rechnet mit rund 0,5 Prozentpunkten zusätzlich



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Ökonom: Rahmenbedingungen werden eher mittelfristig verbessert



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Industrie skeptisch beim Versprechen für mehr Bürokratieabbau



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Lob für Abschreibungsanreize und Arbeitsmarktreformen
 
- von MariaMartinez und Christian Krämer
Berlin, 08. Jul (Reuters) - Nach der Haushaltseinigung
haben sich Ökonomen und Verbände skeptisch gezeigt, ob die
Ampel-Regierung die in Aussicht gestellten Impulse für die
Wirtschaft wirklich erreichen kann. "Mit etwas Glück wird es
nächstes Jahr zu 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten mehr Wachstum
führen", sagte Holger Schmieding, Chefökonom bei der Privatbank
Berenberg, der Nachrichtenagentur Reuters. Weil das Geld fehle,
könne die Regierung aus SPD, Grünen und FDP nicht mehr machen.

Die Ampel-Spitzen hatten am Freitag nach monatelangen Verhandlungen neben einem Haushaltskompromiss auch 49 Maßnahmen zur Stärkung des Standorts Deutschland vorgestellt. Dazu gehören unter anderem bessere Abschreibungsbedingungen für Unternehmen, eine ausgeweitete Forschungszulage, steuerliche Entlastungen für die Mittelschicht sowie Bürokratieabbau. Auf dem Arbeitsmarkt soll es Anreize geben, um ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu locken. Ebenso soll es Verlockungen geben, damit ältere Menschen länger arbeiten und Langzeitarbeitslose eher eine Stelle annehmen. Das Paket wird aus Sicht der Ampel 2025 zu einem zusätzlichen Wachstum von rund einem halben Prozentpunkt führen, das wären in etwa 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung.

Für dieses Jahr rechnet die Regierung ihren Prognosen vom April zufolge mit einem mageren Wachstum 0,3 Prozent. 2025 sollten es bisher - ohne das jetzt beschlossene Paket - 1,0 Prozent sein. Allerdings wird in einem Überblickspapier des Kanzleramts auch darauf verwiesen, dass das jährliche Potenzialwachstum mittelfristig nur noch bei 0,5 Prozent liegt. Zusätzlich dann 0,5 Punkte seien immer noch "erschreckend niedrig", sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, am Montag zu Reuters. Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin beim Industrieverband BDI, sprach von moderaten Wachstumsimpulsen. "Unter dem Strich ist das zu wenig, um Wachstumskräfte nachhaltig zu stärken."

Die Ampel-Pläne dürften eher mittelfristig die Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern, rechnet Konjunkturexperte Torsten Schmidt vom Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung. "Die kurzfristigen Impulse dürften dagegen klein sein." DIW-Konjunkturexperte Jan-Christopher Scherer sagte, insbesondere die geplanten Anreize zur Mehrarbeit sollten sich positiv auf das Produktionspotenzial auswirken.

"ALLEIN DER GLAUBE FEHLT"

Die Wirtschaft lobte die verbesserten Abschreibungsbedingungen bei Investitionen bis 2028 sowie die erhöhte Forschungszulage. Dies seien richtige Signale, so BDI-Lobbyistin Gönner. "Die Länder sind nun gefordert, für diese Vorhaben den Weg freizumachen." Der Präsident des Einzelhandelsverbands HDE, Alexander von Preen, sieht die Regierung auf dem richtigen Weg. Er hoffe, dass die Pläne wegen der bevorstehenden Sommerpause "nicht zu lange brach liegen - jeder Monat zählt".

Der Arbeitgeberverband BDA kritisierte, dass bisher
Pläne zum Bürokratieabbau nicht bei den Unternehmen angekommen
seien. "Die Vertagung des Bürokratieentlastungsgesetzes auf den
Herbst spricht Bände", so BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen
Kampeter. "Da sind die aktuellen Ankündigungen nett zu hören -
allein der Glaube an die Umsetzung fehlt." DIHK-Präsident Adrian
ergänzte, bereits der konkrete Umgang mit dem deutschen und
europäischen Lieferkettengesetz bleibe diffus. "Hier wissen die
Betriebe nicht, auf was sie sich einstellen müssen." Das Gesetz
nimmt Unternehmen für Missstände in ihren Lieferketten in die
Pflicht, was aber starke Dokumentationspflichten mit sich
bringt.

(Mitarbeit von Klaus Lauer, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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