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13.09.2024 /14:51:10
VORSCHAU-Werben um Zentralasien - Scholz reist nach Usbekistan und Kasachstan

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Interesse an Rohstoffen aus Kasachstan und Arbeitskräften aus Usbekistan



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Kanzler will auch über Umgehung von Russland-Sanktionen sprechen





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Zentralasien sucht Kontakte jenseits von Russland und China





- von Andreas Rinke -

Berlin, 13. Sep (Reuters) - Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine rückt Zentralasien für die deutsche Politik immer mehr in den Mittelpunkt. Kanzler Olaf Scholz bricht deshalb am Sonntag zu einer Reise nach Usbekistan und Kasachstan auf, wo er auch die Regierungschefs aller fünf zentralasiatischen Länder treffen wird. Damit will er an das sogenannte "Z5 plus 1"-Format anknüpfen, das Scholz bereits im September 2023 begründet hatte. Im Mittelpunkt der Reise, bei der der Kanzler von einem Dutzend Unternehmenschefs - vom Rohstoffkonzern Aurubis über den Tunnelbohrmaschinenbauer Herrenknecht bis Siemens Energy - begleitet wird, stehen nach Angaben aus Regierungskreisen wirtschaftliche Fragen, aber auch eine verstärkte regionale Zusammenarbeit.

"Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Bundesregierung die Bedeutung der postsowjetischen Länder in Zentralasien klarer erkannt", sagt die Zentralasien-Expertin Beate Eschment. "Deutschland kopiert mit dem Z5-Treffen ein Gesprächsformat, das zunächst die USA eingeführt haben", fügt die Expertin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien hinzu. Diplomaten verweisen darauf, dass mittlerweile aber auch China, Russland und Japan solche Gesprächsformate mit den strategisch wichtig gelegenen Staaten Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgistan haben.

ÖL AUS KASACHSTAN

Ein Thema auf der Scholz-Visite wird der Versuch sein, engere Verbindungen beim Thema Rohstoffe zu knüpfen. So würde es die Bundesregierung begrüßen, wenn mehr kasachisches Öl etwa an die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt fließen könnte. 2023 exportierte Kasachstan 8,5 Millionen Tonnen Öl nach Deutschland.

Als noch interessanter wird die Lieferung von Gas und später Wasserstoff angesehen. Mit Blick auf die deutschen Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke betonte ein Regierungsvertreter in Berlin: "Wir müssen irgendwo Gas herkriegen, und da ist natürlich die Region sehr reich." Bisher krankt dies allerdings an der schwierigen Frage der Infrastruktur - und den Pipelines, die bisher durch Russland verlaufen. Nötig wäre eine Gaspipeline durch das Kaspische Meer, etwa vom Hafen Aktau in Kasachstan aus nach Baku in Aserbaidschan, um andere Routen ohne Russland zu erschließen.

Die Milliardeninvestition lohnt sich nur, wenn man eine Zukunft nach fossilem Gas mitdenkt: Gerade das riesige Kasachstan wird als möglicher Wasserstoff-Lieferant angesehen. "Das Potenzial an erneuerbaren Energien in Kasachstan beispielsweise ist enorm groß", sagte ein Regierungsvertreter. Deutschland müsse 2030 rund 50 bis 70 Prozent seines Wasserstoff-Bedarfs importieren und werde dann zum größten Importeur der Welt werden.

Kasachstan ist auch wegen anderer Rohstoffe sehr interessant. Und Scholz bietet Deutschland als besseren Partner als etwa China an und propagiert die Weiterverarbeitung der Rohstoffe noch in den Herkunftsländern. China betreibe dagegen "Extraktionismus", was bedeute: "Rohstoffe aus dem Boden, Verschiffung nach China, alle Wertschöpfung findet in China statt", heißt es aus der deutschen Regierung. Alle zentralasiatischen Staaten haben ihr Interesse geäußert, sich aus der Umklammerung durch Russland und China auch durch verstärkte Westkontakte etwas zu entziehen.

HANDEL SEIT 2022 IN HÖHE GESCHOSSEN

Ein weiteres Thema wird auf der Reise auch die Frage sein, ob zentralasiatische Staaten die EU-Sanktionen gegen Russland umgehen. Denn die Handelsbilanzen mit der EU und gerade mit Deutschland sind seit 2022 in die Höhe geschossen - mit Kasachstan hat sie sich fast verdoppelt. Die deutschen Investitionen in Kasachstan stiegen im vergangenen Jahr zudem nach Angaben der staatlichen Agentur Kazakh Invest um 64 Prozent.

Man müsse differenzieren, betont man in der Bundesregierung: Man werde vor allem über die Bereiche sprechen, wo möglicherweise über zentralasiatische Länder Material nach Russland geliefert werde, das militärisch verwendet werden könne. Aber Recherchen bei Autoherstellern hätten ergeben, dass die starken Zuwächse daher rührten, dass der regionale Vertrieb nach Kasachstan bis 2022 noch über Russland gelaufen sei.

Mit Usbekistan will die Bundesregierung zudem eine Migrationspartnerschaft unterzeichnen. Das Land mit seinen rund 37 Millionen Einwohnern gilt als begehrter Partner für die Anwerbung von Fachkräften.

(Mitarbeit: Riham Alkousaa, redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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