Nachricht


03.07.2024 /17:00:00
Studie - Ozempic-Wirkstoff könnte Risiko für gefährliche Augenerkrankung erhöhen

Frankfurt, 03. Jul (Reuters) - Der Wirkstoff Semaglutid der begehrten Abnehmspritze Wegovy und des Diabetesmittels Ozempic von Novo Nordisk könnte einer neuen Studie zufolge womöglich das Risiko für eine gefährliche Augenerkrankung erhöhen. Ein internationales Forscherteam kam nach der Auswertung von Daten von gut 16.800 Patientinnen und Patienten einer großen Augenklinik in Boston zu dem Schluss, dass mit der Einnahme des Wirkstoffs ein erhöhtes Risiko für die nicht-arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (NAION) einhergehen könnte. Bei dieser Augenerkrankung kommt es zu einem plötzlichen einseitigen Verlust der Sehkraft infolge einer Durchblutungsstörung des Sehnervs. Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko für diese Erkrankung.

Laut der in der Fachzeitschrift "Jama Ophthalmology" veröffentlichten Studie gab es unter den Patienten 710 Personen mit Typ-2-Diabetes und 979 Personen mit Übergewicht oder Adipositas, die entweder mit Semaglutid oder einem anderen Medikament behandelt wurden. Während des dreijährigen Beobachtungszeitraums habe das Risiko für eine NAION-Diagnose bei Diabetikern unter der Einnahme von Semaglutid bei 8,9 Prozent gelegen, verglichen mit einem Risiko von 1,8 Prozent bei der Verwendung anderer Antidiabetika. Bei den Übergewichtigen und Fettleibigen in der Semaglutid-Gruppe habe das Risiko bei 6,7 Prozent gelegen und bei 0,8 Prozent in der Gruppe, die andere Arzneien zur Gewichtsreduktion einnahm.

Die Wissenschaftler betonten, dass dies zwar nicht beweist, dass Semaglutid der Grund für diese Risikoerhöhung ist. Eine weitere Untersuchung des Zusammenhangs sei aber nötig. Der Physiologie-Professor Graham McGeaown von der Queen's Universität in Belfast erklärte, die Studie habe zwar ein hohes Qualitätsniveau, die Studienautoren hätten die wichtigsten Schwachpunkte aber klar benannt. Das beziehe sich vor allem darauf, wie repräsentativ die Gruppe der Patienten im Hinblick auf die breitere US-Bevölkerung sein könnte.

Auch könnte der Schweregrad der mit Semaglutid behandelten Erkrankung ebenfalls eine Rolle spielen. Idealerweise müsste der Zusammenhang in größeren Studien überprüft werden. "Angesichts des raschen Anstiegs der Verwendung von Semaglutid und seiner möglichen Zulassung für eine Reihe anderer Probleme als Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes verdient diese Frage weitere Untersuchungen", erklärte McGeaown.

Semaglutid gehört zur Klasse der sogenannten GLP-1-Agonisten, die den Blutzuckerspiegel senken und den Appetit reduzieren. Ozempic und Wegovy verhalfen dem dänischen Arzneimittelhersteller Novo Nordisk zu Rekordumsätzen und machten ihn zum wertvollsten börsennotierten Unternehmen Europas. Novo erklärte, die Sicherheit der Patienten habe für den Konzern höchste Priorität. "Wir nehmen alle Berichte über unerwünschte Ereignisse bei der Anwendung unserer Arzneimittel sehr ernst." Insgesamt reichten die veröffentlichten Daten aber nicht aus, um einen kausalen Zusammenhang zwischen der Anwendung von GLP-Agonisten und NAION herzustellen. Es gebe zudem wichtige methodische Einschränkungen der Studie, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssten.

Die Inzidenz der NAION beträgt zwei bis zehn Fälle pro 100.000 Personen, es ist damit die zweithäufigste Ursache für Erblindung aufgrund einer Schädigung des Sehnervs. Eine frühere Studie hatte bereits gezeigt, dass Semaglutid eine diabetische Retinopathie, eine Erkrankung der Netzhaut, verschlechtern kann. Fachärzte empfehlen deshalb eine Untersuchung der Augen vor und während der Semaglutid-Einnahme.

(Bericht von Patricia Weiß, Mitarbeit von Maggie Fick in London, redigiert von Ralf Banser und Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.