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18.09.2024 /18:45:17
GEÄNDERT-TOP-THEMA-Neue Welle von Explosionen im Libanon - Diesmal Walkie-Talkies betroffen

(Stellt im ersten Absatz richtig: In der Bekaa-Region wurden drei Menschen verletzt (nicht getötet). Die libanesische Agentur berichtigte ihre Meldung)

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Hisbollah: Israel sollte sich auf harte Bestrafung einstellen



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Insider: Mossad platzierte Sprengsätze schon vor Monaten

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Spur der Geräte führt über Taiwan nach Budapest
 
- von Laila Bassam und Maya Gebeily
Beirut, 18. Sep (Reuters) - Einen Tag nach den
Anschlägen mit Tausenden Pagern zum Empfang von Textnachtrichten
erschüttert eine neue Welle von Explosionen tragbarer
Kleingeräte den Libanon. Hunderte Menschen wurden am Mittwoch
verletzt, als Sprechfunkgeräte (Walkie-Talkie) explodierten,
sagte ein Mitarbeiter von Sicherheitskräften Reuters. Von der
radikal-islamischen Hisbollah-Miliz benutzte mobile Funkgeräte
im Süden des Libanon und in den südlichen Vororten Beiruts
explodierten, berichtete auch ein Augenzeuge. Drei Menschen
seien in der Bekaa-Region verletzt worden, meldete die
staatliche libanesische Nachrichtenagentur.

Mindestens eine der Explosionen wurde in der Nähe eines von der radikal-islamischen Hisbollah organisierten Begräbnisses registriert. Dort sollte um Menschen getrauert werden, die am Dienstag durch die Anschlage mit Pagern ums Leben gekommen waren. In Sicherheitskreisen hieß es, viele der Verletzten hätten Wunden an den Händen oder im Bauchbereich erlitten. Die Handfunkgeräte wurden von der Hisbollah vor fünf Monaten gekauft, etwa zur gleichen Zeit wie die Pager, sagte ein Mitarbeiter von Sicherkräften. Mit den jetzt betroffenen Geräten kann man ähnlich wie mit Handys drahtlos miteinander sprechen. Pager, die vor Jahrzehnten verbreitet waren, dienen vor allem dem Empfang von Textbotschaften.

FURCHT VOR AUSWWEITUNG DES KRIEGES

Mit den erneuten Anschlägen wächst international die Furcht vor einer Ausweitung der Kämpfe über den Gazastreifen hinaus. Die Hisbollah-Miliz drohte Israel erneut mit Vergeltung. Bereits vor den Explosionen vom Mittwoch hatten die pro-iranischen Islamisten Israel als "kriminellen Feind" bezeichnet, der sich "als Reaktion auf das Massaker vom Dienstag auf eine harte Bestrafung" gefasst machen solle. Für Donnerstag wurde eine Rede von Hisbollah-Chef Sajjed Hassan Nasrallah angekündigt.

Nach den Vereinten Nationen warnte auch Jordanien, der bislang im Wesentlichen auf den Gazastreifen begrenzte Krieg könne sich zu einem Flächenbrand in der ganzen Region entwickeln. Auch Russland beschwor die Gefahr einer Eskalation. "Die Ursachen und Umstände des Vorfalls müssen ermittelt und die Verantwortlichen identifiziert werden", forderte Regierungssprecher Dmitri Peskow ebenso wie die UN. Weder Israels Regierung noch das Militär nahmen bislang Stellung zu der Manipulation Tausender sogenannter Pager und zu den im Libanon erhobenen Vorwürfen. Auch zu den Explosionen der Handfunkgeräte gab es zunächst keine Stellungnahme.

In libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, der israelische Geheimdienst Mossad habe die Sprengsätze in den Pagern bereits vor Monaten in insgesamt 5000 Geräten platziert. Bei den Explosionen der Pager wurden zwölf Menschen getötet und fast 3000 teils schwer verletzt, darunter mehrere Hisbollah-Kämpfer und der Gesandte des Iran in Beirut.

Nach dem Ausbruch des Kriegs im Gazastreifen zwischen Israel und der palästinensischen Hamas vor knapp einem Jahr hatten auch die Feindseligkeiten zwischen der Hisbollah und Israel an der nördlichen Grenze Israels zugenommen. Mittlerweile kommt es dort nahezu täglich zu gegenseitigem Beschuss. Die vom Iran unterstützte Hisbollah will mit ihrem Vorgehen die ebenfalls vom Iran geförderte Hamas unterstützen, indem sie israelische Soldaten auch an der Grenze bindet.

Insidern zufolge war die Explosion der Pager offenbar schon vor Monaten vorbereitet worden. Ein ranghoher Vertreter des libanesischen Sicherheitsapparats sagte der Nachrichtenagentur Reuters, der Mossad habe die Geräte bereits in der Produktionsphase modifiziert. Er habe eine Platine mit Sprengstoff eingebaut, die auf einen Code reagiere und sehr schwer zu entdecken sei. Durch das Verschicken dieses Codes sei dann der Sprengstoff zeitgleich in 3000 Pagern zur Explosion gebracht worden. "Wir wurden wirklich hart getroffen", sagte der Insider.

PAGER-SPUR FÜHRT ÜBER TAIWAN NACH BUDAPEST

Die Pager wurden Insidern zufolge von Hisbollah-Kämpfern genutzt, um einer Lokalisierung durch Israel zu entgehen, was bei Handys möglich wäre. Die Miliz habe 5000 solcher Geräte bei der taiwanischen Firma Gold Apollo bestellt, hieß es in libanesischen Sicherheitskreisen. Die Pager seien vor einigen Monaten geliefert worden. Gold Apollo erklärte jedoch, dass es die bei den Explosionen verwendeten Pager nicht hergestellt habe. Sie seien von einer Firma mit dem Namen BAC und Sitz in Budapest produziert worden. Diese habe eine Lizenz zum Verwenden des Gold-Apollo-Markennamens.

Die angegebene Adresse von BAC Consulting führte zu einem Gebäude in einer Wohnstraße in einem Außenbezirk von Budapest. Der Firmenname stand auf einem an einer Glastür angebrachten A4-Blatt. Eine Person im Gebäude, die nicht genannt werden wollte, sagte, BAC Consulting sei unter der Adresse registriert, habe dort jedoch keinen physischen Sitz. Mehrere andere Unternehmen waren ebenfalls unter der Adresse verzeichnet, doch keines reagierte auf Anrufe und Nachfragen von Reuters.

Die Chefin von BAC Consulting, Cristiana Barsony-Arcidiacono, gibt auf ihrem LinkedIn-Profil an, sie habe als Beraterin für verschiedene Organisationen gearbeitet, darunter auch die Unesco. Sie antwortete nicht auf E-Mails von Reuters. Die Unternehmenswebseite enthält keine Hinweise auf Herstellungstätigkeiten.

(geschrieben von Christian Rüttger und Hans Busemann, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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