Berlin, 27. Okt (Reuters) - Die Präsidentin des Familienunternehmer-Verbandes, Marie-Christine Ostermann, hat den von der FDP organisierten Mittelstand-Gipfel als Ergänzung zu dem Industriegipfel im Kanzleramt bezeichnet. "Dass es zwei wichtige Wirtschaftsgipfel am selben Tag gibt, macht mehrere Dinge deutlich: Es sind nur noch der Kanzler und der Finanzminister, die sich um die miserable wirtschaftliche Lage kümmern", sagte Ostermann der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag. Zuvor hatte es deutliche gegenseitige Verstimmungen in der Ampel-Regierung über die nicht abgestimmten Gipfel-Einladungen gegeben.
Es sei richtig, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich um die Industrie kümmere, zumal die Industrie-Gewerkschaften "wegen der schneller werdenden Deindustrialisierung nervös werden". Aber die Industrie erwirtschafte in Deutschland nur ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts, das reiche nicht, um aus der Krise zu kommen. "Wichtig ist, dass es für die anderen 75 Prozent unserer Wirtschaft einen zusätzlichen Gipfel gibt", betonte Ostermann. "Das ist damit auch kein 'Gegengipfel', sondern der Drei-Viertel-Gipfel ist die logische Ergänzung", betonte die Präsidentin mit Blick auf das von Finanzminister Christian Lindner (FDP) mitorganisierte Treffen ebenfalls am Dienstag. "Gut, dass Kanzler und Finanzminister die Leerstelle in der Wirtschaftspolitik dieser Regierung füllen wollen."
Bei beiden Gipfeln gehe es darum, die "katastrophale Lähmung bei den Erweiterungsinvestitionen" an den heimischen Standorten zu kurieren. Die Standortnachteile in Deutschland seien so immens, dass die Unternehmen in allen Branchen gerade noch ihren Status quo instandhalten, aber nichts Neues mehr aufbauten.
"Die beiden Gipfel sind die letzte Chance für die Ampel-Koalition." Wenn Kanzler und Finanzminister aus den Ergebnissen beider Gipfel eine gemeinsame Wirtschaftspolitik definierten, müsse dies noch im Bundeshaushalt für 2025 abgebildet werden. Wenn die Ampel dies nicht mehr schaffe, solle sie ihre Arbeit sofort beenden. "Ohne Wirtschaftsaufschwung wird ihr so oder so das gesamte Land um die Ohren fliegen", sagte Ostermann. Als Unternehmerin sehe sie aber erstmal die Chancen, die mit beiden Gipfeln am Dienstag verbunden sind.
Ostermann übte scharfe Kritik an Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). "Der eigentlich zuständige Wirtschaftsminister hat sich vom Spielfeld verabschiedet", sagte sie. Sein Impuls-Papier folge dem "ewig gleichen Mantra", dass mit noch mehr Staatsschulden alles besser werde. Dies wirke nach zwei Jahren gescheiterter Wirtschaftspolitik "wie ein Abschiedsschreiben".
(Bericht von Andreas Rinke Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)