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Außenminister trifft Regierungsvertreter in Jerusalem |
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"Raum für sachliche Kritik" |
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Neue Bundesregierung sieht Entwicklung in Gaza skeptisch |
- von Alexander Ratz |
Jerusalem, 11. Mai (Reuters) - Johann Wadephul auf |
heikler Mission: Der neue deutsche Außenminister reiste nach |
seinen Besuchen in Frankreich, Polen und der Ukraine wenige Tage |
nach Amtsantritt nach Israel - das Land, dessen Existenzrecht |
deutsche Staatsräson ist. Auch der Zeitpunkt der Reise des |
Berliner Chefdiplomaten ist heikel. Gerade beging Deutschland |
den Tag der Befreiung von den Nazis am 8. Mai 1945, und beide |
Länder feiern 60 Jahre diplomatische Beziehungen. Doch Israel |
macht es auch der neuen Bundesregierung angesichts seines |
Vorgehens im Gazastreifen nicht leicht. |
"In unseren beiden Demokratien gehören kritische Diskussionen über die Politik der eigenen Regierung und befreundeter Nationen dazu", sagte Wadephul vor seinem Abflug nach Tel Aviv. "Dies darf aber nie für Antisemitismus missbraucht werden. Zugleich ist Raum für sachliche Kritik ein unverzichtbares Merkmal unserer freiheitlichen Gesellschaften." Den Angriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel vom 07. Oktober 2023 verurteilte Wadephul auf das Schärfste. "Sich gegen diesen Terror zu verteidigen, ist Israels Recht", betonte er, erinnerte dabei aber auch an das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Damit setzt der erste deutsche Außenminister aus den Reihen der CDU seit 1959 mehr oder weniger den Kurs seiner Vorgängerin Annalena Baerbock fort. Allerdings dürfte Wadephul in seinem Vorgehen stark vom Kanzleramt gesteuert werden. Der neue Kanzler Friedrich Merz hat mehrfach klargemacht, dass er die Außenpolitik maßgeblich gestalten will. Insofern startet der 62-jährige Wadephul unter anderen Voraussetzungen als seine Vorgängerin. Die Grünen-Politikerin war von Anfang an um eigene Akzente bemüht und profilierte sich gegen das SPD-geführte Kanzleramt der Ampel-Regierung - etwa mit der von Baerbock propagierten feministischen Außenpolitik.
Auch gegen Israel nahm Baerbock mitunter kein Blatt vor den Mund, was in einem Schlagabtausch mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gipfelte, wie dessen Büro durchsickern ließ. Nach ihren Treffen mit israelischen Außenministern erhielt Baerbock in der Regel keine gemeinsame Pressekonferenz, was weithin als Zeichen gewertet wird, dass es eine gewisse Distanz gibt. Wadephul indes trat am Sonntag in Jerusalem mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar vor die Presse - die Regierung erhofft sich offenbar unter dem CDU-geführten Kanzleramt eine klare Kante für die Belange Israels.
Merz machte denn auch nach seinem Amtsantritt in einem Telefonat mit Netanjahu am vergangenen Donnerstag deutlich, dass er den Hamas-Angriff auf Israel auf das Schärfste verurteile. Aber: "Er äußerte seine Besorgnis über das Schicksal der Geiseln und die humanitäre Not in Gaza", ergänzte Regierungssprecher Stefan Kornelius. Der Kanzler nannte also die Geiseln und die Not in Gaza in einem Atemzug. Und: "Er brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass bald Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gang kommen."
Aktuellen Zahlen zufolge befinden sich noch 59 Geiseln im Gazastreifen, 24 davon sind wohl noch am Leben, 35 sind tot. Insgesamt waren am 07. Oktober 2023 rund 250 Israelis in den palästinensischen Küstenstreifen verschleppt worden. Wadephul traf am Rande seines Besuchs in Tel Aviv am Samstagabend mit Angehörigen der verbliebenen Geiseln zusammen, darunter sind auch noch einige mit deutscher Staatsbürgerschaft. "Es ist kaum vorstellbar, was die von der Hamas Verschleppten und ihre Familien seit über 19 Monaten durchmachen", schrieb Wadephul auf der Plattform x. "Die Geiseln müssen endlich alle freikommen. Das ist eine Priorität für Deutschland."
Die Angehörigen setzen dabei ausschließlich auf Verhandlungen mit der Hamas, die von der Regierung bevorzugten militärischen Mittel haben bislang kaum Erfolge gebracht. Kein Wunder also, dass sie besorgt auf die angekündigte neue israelische Offensive im Gazastreifen blicken. Dadurch rückt der Vorwurf in den Raum, dass die Regierung die Rettung der Geiseln nicht mehr als oberste Priorität verfolgt, sondern dass stattdessen die vielfach propagierte Vernichtung der Hamas im Vordergrund steht.
Wadephul wollte jedenfalls bei der israelischen Regierung in Erfahrung bringen, welche Strategie sie mit ihrer angekündigten Offensive im Gazastreifen verfolge, wie er vor seinem Besuch ankündigte. Eine richtige Antwort hat der deutsche Chefdiplomat nicht bekommen. "Die Hamas muss besiegt werden", sagte Israels Außenminister Gideon Saar lediglich. Wadephul pflichtete bei. Die Hamas müsse entwaffnet werden und dürfe den Gazastreifen militärisch nicht mehr beherrschen. Er sei aber nicht sicher, ob rein militärisch "alle strategischen Ziele Israels erreicht werden können und dies langfristig der Sicherheit Israels dient".
(Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)