- von Klaus Lauer |
Berlin, 11. Sep (Reuters) - Die Bundesregierung und das |
Land Niedersachsen wollen mit einem Staatseinstieg die kriselnde |
Meyer Werft aus Papenburg retten. Die öffentliche Hand will aber |
möglichst in ein paar Jahren aus dem 1795 gegründeten |
Traditionsunternehmen wieder aussteigen und es in private Hände |
geben. Im Folgenden eine Übersicht zu Hintergrund und Details |
des Rettungsplans: |
Die Meyer Werft wurde 1795 gegründet und ist bisher ein Familienunternehmen in siebter Generation. Die Gruppe hat insgesamt rund 7000 Beschäftigte und betreibt Schiffsbau an drei Standorten: Die Werft in Papenburg im Emsland baut mit 3400 Beschäftigten vor allem Kreuzfahrtschiffe und gehört hier zur Weltspitze. Die Neptun Werft in Rostock baut mit ihren rund 450 Beschäftigten insbesondere Flusskreuzfahrtschiffe und soll künftig mit dem sogenannten Konverter-Plattformbau für Offshore-Windparks zur Energiewende beitragen. Im finnischen Turku, wo rund 2200 Menschen tätig sind, werden Kreuzfahrtschiffe und Passagierfähren hergestellt.
Kritiker werfen der Geschäftsleitung zwar auch Management-Fehler vor. Zum Verhängnis wurden der Meyer Werft aber vor allem die übliche Finanzierungspraxis, die Flaute in der Corona-Krise und steigende Baupreise. Denn Kunden zahlen in der Regel nur 20 Prozent an, der Rest wird erst bei der Übergabe der Schiffe fällig. Die Werft muss also die Baukosten vorfinanzieren, normalerweise aus den Anzahlungen. In den Corona-Jahren gab es jedoch kaum noch Neuaufträge. Zudem konnte die Werft die zum Teil explodierenden Baupreise etwa beim Stahl nicht oder kaum an die Kunden weiterreichen. Viele Konkurrenten wie die italienische Fincantieri und die französische Chantiers de l'Atlantique sind in Staatshand.
Die Meyer Werft hat Insidern zufolge zuletzt eine andere Finanzierung am Markt durchsetzen können. Demnach wird mehr im Einklang von Bauabschnitten gezahlt. Jüngst sicherte sich das Familienunternehmen den größten Auftrag der Firmengeschichte und baut künftig für Walt Disney <DIS.N> vier weitere Kreuzfahrtschiffe. Unternehmenschef Bernard Meyer erklärte dazu: "Unser Auftragsbuch wächst mit den neuen Aufträgen auf über elf Milliarden Euro."
Die öffentliche Hand steigt bei dem Kreuzfahrtschiffbauer ein, den Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch im August als ein "industrielles Kronjuwel" und "systemrelevant" für die maritime Wirtschaft in Deutschland bezeichnete. "Da in der Kürze der Zeit kein privater Investor gefunden werden konnte und das Unternehmen zugleich von großer strukturpolitischer Bedeutung für das Land Niedersachsen und die Bundesrepublik Deutschland ist, war das Engagement des Staates unumgänglich", argumentiert die Landesregierung in Hannover. Einschließlich Zulieferern und Dienstleistern hängen an der Werft direkt und indirekt rund 17.000 Arbeitsplätze.
Neben der Einigung mit Arbeitnehmervertretern über einen Jobabbau gab es noch andere Voraussetzungen für den Staatseinstieg. So wird der offizielle Firmensitz von Luxemburg nach Deutschland zurückverlegt, ein mitbestimmter Aufsichtsrat geschaffen und ein Konzernbetriebsrat eingerichtet.
Der Bund und das Land Niedersachsen beteiligen sich jeweils mit 200 Millionen Euro und halten dann je 40,36 Prozent. Bund und Land wollen ihre Mitgliedschaftsrechte/Stimmrechte in der Meyer Neptun GmbH grundsätzlich einvernehmlich ausüben.
Bund und Land bürgen zu 80 Prozent für einen Fremdkapital-Kreditrahmen von 2,6 Milliarden Euro. 20 Prozent übernehmen die Banken auf eigenes Risiko. Für Niedersachsen bedeutet das ein Ausfallrisiko von etwas mehr als einer Milliarde Euro.
Dauerhaft will der Staat nicht Mehrheitseigner der Werft bleiben. Der Ausstieg dürfte parallel zum Ende des Sanierungszeitraums laufen. Diesen peilt die Meyer Werft selbst für Ende 2027/Anfang 2028 an. Die Familie Meyer erhält eine Art Vorkaufsrecht. Ihr Einstieg oder der anderer Investoren ist an Bedingungen geknüpft. Hier geht es um die Sicherung des Standorts in Papenburg und von Arbeitsplätzen.
Teil der eingeleiteten Sanierung ist auch ein Jobabbau. So sollen in Papenburg 340 Vollzeitstellen wegfallen. In einem ersten Schritt soll es ein Freiwilligenprogramm geben, vor 2025 sind demnach keine betriebsbedingten Kündigungen möglich.
(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Sabine Wollrab - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)