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11.09.2024 /13:19:09
FOKUS 2-Bundestag und Landtag Niedersachsen billigen Rettung der Meyer Werft

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Haushaltsausschüsse in Berlin und Hannover geben grünes Licht



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Rettung soll noch diese Woche umgesetzt werden



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Habeck: Werft ist von immenser Bedeutung für deutschen Schiffbau



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Bund und Land übernehmen 80 Prozent der Werft und Bürgschaften





Berlin, 11. Sep (Reuters) - Der Bund und das Land
Niedersachsen haben den Weg frei gemacht für den Einstieg des
Staates bei der angeschlagenen Meyer Werft. Die
Haushaltsausschüsse des Bundestages und des Landtags in Hannover
stimmten am Mittwoch der Rettung des 1795 gegründeten
Traditionsunternehmens aus dem Emsland zu. "Die Meyer Werft
gehört zu den größten und modernsten Werften weltweit. Sie ist
von immenser Bedeutung für den deutschen Schiffbau", sagte
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Viele Aufträge sprächen
für eine Zukunftsperspektive der Werft. Geplant ist, dass Bund
und Niedersachsen mit 400 Millionen Euro Eigenkapital einsteigen
und vorübergehend rund 80 Prozent der Werft übernehmen. Zudem
sichert die öffentliche Hand mit Bürgschaften von rund zwei
Milliarden Euro Bankkredite ab. Nun müssen noch letzte Details
geklärt werden. Eine Lösung soll bis spätestens Sonntag stehen.

"Wir sichern mit der Unterstützung die Zukunft der Werft und ihrer Zulieferer und damit auch viele tausende Arbeitsplätze", sagte Habeck zur Begründung der Hilfen. Perspektivisch könne die Werft auch über den Offshore-Konverter-Plattformbau zur Energiewende beitragen, betonte der Grünen-Politiker. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies betonte, Bund und Land sorgten für die nötige Stabilisierung, die kein externer Investor vorgenommen hätte. Dank der Auftragslage sei nach einem "schwierigen Jahr 2025, vor dem wir stehen, eine echt gute Perspektive wieder da".

Jüngst hatte sich die Meyer Werft den größten Auftrag der Firmengeschichte gesichert und baut für Walt Disney <DIS.N> vier weitere Kreuzfahrtschiffe. Der Auftragsbestand liegt damit nach Angaben des Unternehmens bei über elf Milliarden Euro.

Die Eignerfamilie Meyer hält in den kommenden Jahren etwa 20 Prozent und hat eine Art Rückkaufoption. Denn der Staat peilt den Ausstieg aus der Werft an, dies könnte mit dem geplanten Ende der Sanierung Ende 2027/Anfang 2028 der Fall sein.

Samt Zulieferern und Dienstleistern hängen an der Werft direkt und indirekt rund 17.000 Arbeitsplätze. Deshalb begrüßte die IG Metall Küste den Einstieg des Staates. "Dadurch werden nicht nur tausende Arbeitsplätze an den Standorten Papenburg und Rostock gerettet, sondern wichtige Teile des Schiffbaus in ganz Deutschland", sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf dem Konzern vor, er habe "alles dafür getan, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Mitbestimmung haben". Dies werde sich nun ändern, sagte Mützenich im Bundestag.

MEYER WERFT MUSSTE FÜR STAATSHILFE EINIGES VERÄNDERN

Neben dem Abbau von 340 Jobs in Papenburg gab es noch andere Voraussetzungen für den Staatseinstieg. So wird der offizielle Firmensitz von Luxemburg nach Deutschland zurückverlegt, ein mitbestimmter Aufsichtsrat geschaffen und ein Konzernbetriebsrat eingerichtet. Die Meyer Gruppe hat rund 7000 Beschäftigte und betreibt Schiffsbau an drei Standorten. Die Werft in Papenburg im Emsland baut mit 3400 Beschäftigten vor allem Kreuzfahrtschiffe und gehört hier zur Weltspitze. Zudem gibt es noch Werften in Rostock und im finnischen Turku.

FDP-Haushälter Otto Fricke sagte, eine Lösung ohne Hilfe wäre für den Steuerzahler teurer geworden. Außerdem habe Deutschland ein strategisches Interesse an einer großen Werft. Es müsse nun abgewartet werden, wie sich die Geschäftslage entwickele und was womöglich an Militäraufträgen hereinkomme.

Zum Verhängnis wurden der Meyer Werft vor allem die übliche Finanzierungspraxis der Branche, die Flaute in der Corona-Krise und steigende Baupreise. Denn Kunden zahlen in der Regel nur 20 Prozent an, der Rest wird erst bei der Übergabe der Schiffe fällig. Die Werft musste also die Baukosten vorfinanzieren, meist aus Anzahlungen. In den Corona-Jahren gab es jedoch kaum Neuaufträge. Der Konzern konnte Insidern zufolge zuletzt eine andere Finanzierung am Markt durchsetzen. Demnach wird mehr im Einklang von Bauabschnitten gezahlt. Konkurrenten wie die italienische Fincantieri und die französische Chantiers de l'Atlantique sind bereits in Staatshand.

(Bericht von Klaus Lauer und Christian Krämer, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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