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IfW-Präsident Schularick: Konsolidierung ökonomisch gut
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Südekum: Verzerrung am EU-Kapitalmarkt würde etwas behoben
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ZEW-Experte Heinemann: Commerzbank allein fehlt es an Größe
(neu: mit Südekum) |
Berlin, 11. Sep (Reuters) - Top-Ökonomen begrüßen den |
überraschenden Einstieg der italienischen Großbank |
Unicredit bei der Commerzbank <CBKG.DE>. "Eine |
Konsolidierung am europäischen Bankenmarkt ist ökonomisch |
sinnvoll", sagte der Präsident des Kieler Instituts für |
Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, am Mittwoch der |
Nachrichtenagentur Reuters. Dies gelte auch im Hinblick auf eine |
Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion in der EU. Durch |
Letztere sollen kleine und mittlere Unternehmen im |
EU-Binnenmarkt leichter an Kredite kommen. |
Ähnlich äußerte sich Regierungsberater Jens Südekum. "Die Übernahme durch eine italienische Großbank ist eine interessante und durchaus begrüßenswerte Entwicklung", sagte der Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. "Der europäische Kapitalmarkt ist immer noch zu stark entlang nationaler Grenzen zersplittert. Diese Verzerrung würde durch den Deal etwas behoben", so das Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums.
"Die Verbindung beider Banken bis hin zu einer |
Übernahmeperspektive könnte sinnvoll sein", betonte auch der |
Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung |
(ZEW) in Mannheim, Friedrich Heinemann. "Die Commerzbank ist |
auch nach europäischen Maßstäben eine kleine Bank, die nicht die |
notwendige Größenordnung für ein dauerhaft erfolgreiches Agieren |
aufweist." Sicherlich müssten die wettbewerbsrechtlichen |
Konsequenzen etwa auf dem deutschen Markt betrachtet werden, wo |
Unicredit mit ihrer Marke Hypovereinsbank (HVB) bereits präsent |
sei. "Angesichts der vielfältigen deutschen Bankenszene sollte |
das aber kein Hindernis darstellen", sagte Heinemann. Für die |
Unicredit sei jede Diversifikation begrüßenswert, die aus ihrem |
italienischen Heimatmarkt herausführe, wo das Überleben der |
Banken von der Zahlungsfähigkeit des italienischen Fiskus in den |
kommenden Jahrzehnten abhänge. |
Die Italiener erwarben neun Prozent an der zweitgrößten deutschen Bank und deuteten Interesse an einer Ausweitung ihres Engagements an. Unicredit erklärte, man werde zusammen mit der Commerzbank Möglichkeiten zur Wertsteigerung für die Aktionäre beider Banken erörtern. Wenn nötig, werde man regulatorische Genehmigungen für eine mögliche Ausweitung des Anteils auf mehr als 9,9 Prozent einholen. Die Hälfte des Anteils an der Commerzbank habe die Bank durch den Kauf eines 4,5-Prozent-Pakets erworben, das der deutsche Staat über Nacht am Markt platzierte. Der andere Teil sei am Markt erworben worden. Der Bund hatte angekündigt, seinen durch die Rettung der Bank in der Finanzkrise erworbenen Anteile an der Commerzbank Schritt für Schritt abzubauen. Nach dem Verkauf der rund 4,5 Prozent an Unicredit hält er noch zwölf Prozent an der Bank. Der Bund hatte ihr in der Finanzkrise 2008 und 2009 unter die Arme gegriffen.
"Seit der Finanzkrise, also seit 15 Jahren, war der Bund bei der Commerzbank engagiert", sagte Regierungsberater Südekum. "Es wurde Zeit, hier das Ende einzuläuten." Mit dem nun ausgehandelten Verkaufspreis realisiere der Bund einen Verlust. Der Fall der Commerzbank reihe sich damit nicht ein in die Serie der erfolgreichen Übernahmen, wo der Bund temporär engagiert war und sich anschließend - wie bei der Lufthansa - mit einem Gewinn verabschieden konnte. "Trotzdem bleibt der Verkauf eine richtige Entscheidung. Denn der nun realisierte Verlust ist weitaus geringer als er noch vor wenigen Monaten gewesen wäre", sagte Südekum. "Zudem hat sich der Bund erst von einem kleinen Teil seiner Commerzbank-Aktien getrennt." Durch die Avancen von Unicredit ist der Aktienkurs deutlich in die Höhe geschnellt. "Bleibt es dabei, kann der Bund die nächste Tranche vielleicht noch zu einem weitaus besseren Preis veräußern."
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)