Nachricht


11.09.2024 /13:24:05
FOKUS 1-Zahl der Firmenpleiten steigen im ersten Halbjahr um ein Viertel

*

Forderungen der Gläubiger steigen auf 32 Milliarden Euro

*

DIHK: Im Gesamtjahr mehr als 20.000 Insolvenzen

*

VID: Keine dramatische Veränderung, eher Normalisierung
 
(neu: mit DIHK, VID)
Berlin, 11. Sep (Reuters) - Auch wegen der
konjunkturellen Dauerflaute ist die Zahl derFirmenpleiten in
Deutschland im ersten Halbjahr um fast ein Viertel gestiegen.
Die Amtsgerichte meldeten nach endgültigen Ergebnissen 10.702
beantragte Unternehmensinsolvenzen, wie das Statistische
Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das waren 24,9 Prozent mehr als
ein Jahr zuvor. Die Forderungen der Gläubiger bezifferten die
Gerichte auf rund 32,4 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2023
waren es rund 13,9 Milliarden.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet im Gesamtjahr mit mehr als 20.000 Firmenpleiten. "Sorge bereiten die Zahlen im Verarbeitenden Gewerbe", sagte DIHK-Mittelstandsexperte Marc Evers. "Der deutlich überproportionale Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um gut 29 Prozent in der Industrie, das Absacken der Industrieproduktion, die immer deutlicheren Verlagerungstendenzen ? all das sind keine guten Aussichten für den hiesigen Produktionsstandort." Es drohe der Verlust an wichtiger volkswirtschaftlicher Substanz. Notwendig seien etwa Entlastungen bei der im internationalen Vergleich sehr hohen Belastung mit Unternehmenssteuern.

Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht keinen Grund zur Panik. "Trotz der gestiegenen Zahl an Unternehmensinsolvenzen sehen wir weiterhin keine dramatische Veränderung, sondern nach wie vor eine Normalisierung nach der Coronazeit mit historisch niedrigen Insolvenzzahlen", sagte der VID-Vorsitzende Christoph Niering. "Wir sind weit von den Zahlen zu Zeiten der Finanzkrise entfernt, die im Jahr 2009 bei knapp 33.000 lag."



MEHR GROSSE INSOLVENZEN
 
Der Negativtrend dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte
zunächst fortsetzen: Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen
legte im August um 10,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat
zu, so die Statistiker. Seit Juni 2023 liegt die Zuwachsrate
damit im zweistelligen Bereich, mit Ausnahme des Juni 2024 (plus
6,3 Prozent). Bei den Ergebnissen sei zu berücksichtigen, dass
die Anträge erst nach der ersten Entscheidung des
Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen. Der tatsächliche
Zeitpunkt des Insolvenzantrags liege in vielen Fällen annähernd
drei Monate davor.

Bezogen auf 10.000 Unternehmen gab es im ersten Halbjahr 31,2 Pleiten. Die meisten Insolvenzen entfielen dabei auf den Wirtschaftsbereich Verkehr und Lagerei mit 60,9 Fällen. Danach folgten das Baugewerbe mit 47,4 und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (etwa Zeitarbeitsfirmen) mit 46,8 Fällen sowie das Gastgewerbe mit 40,8 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen. Gestiegen ist in den ersten sechs Monaten auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Sie nahm um 6,7 Prozent zu auf 35.371.

Mit steigenden Firmenpleiten nehmen laut Allianz Trade auch Großinsolvenzen zu. Davon habe es im ersten Halbjahr bereits 40 Fälle gegeben. Das sei nicht nur der höchste Wert zum Halbjahr seit 2015, sondern auch über ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum. "Aktuell gilt häufig: Wenn es kracht, dann richtig", sagte Milo Bogaerts, Chef des Kreditversicherers für Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Große Insolvenzen haben oft einen Dominoeffekt auf viele Unternehmen in der gesamten Lieferkette."

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.