*
Kanzler äußert "Unverständnis" über Äußerungen zu Grönland
*
Frankreichs Außenminister: EU würde sich wehren
*
Merz und Lindner kritisieren auch Trump-Forderung zu Wehretat
*
CSU-Chef Söder nähert sich aber Habeck-Position an |
(durchgehend neu, mit Lindner, Scholz, Mützenich, Merz) |
Berlin/Paris, 08. Jan (Reuters) - Deutsche und Europäer |
reagieren zunehmend ungehaltener auf Drohungen des künftigen |
US-Präsidenten Donald Trump etwa zu Gebietsansprüchen auf |
Kanada, Grönland und den Panamakanal. "Die Unverletzlichkeit von |
Grenzen ist ein Grundprinzip des Völkerrechts", sagte |
Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch in einer kurzfristig |
angesetzten Erklärung im Kanzleramt. Er hatte zuvor mit einer |
Reihe europäischer Staats- und Regierungschefs sowie |
EU-Ratspräsident António Costa gesprochen. Dabei sei "ein |
gewisses Unverständnis deutlich geworden, was aktuelle |
Äußerungen aus den USA angeht". |
Ausdrücklich warnte Scholz, dass sich die USA nicht wie Russland verhalten sollten: "Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land, egal ob es im Osten oder im Westen von uns liegt, und daran muss sich jeder Staat halten, egal ob er ein kleines Land oder ein sehr mächtiger Staat ist", betonte er. Auf deutliche Kritik stießen auch Trump-Forderungen an die Nato-Partner, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen.
Trump hat es nicht ausgeschlossen, militärische oder wirtschaftliche Maßnahmen einzusetzen, damit die USA die Kontrolle über Grönland und den Panamakanal übernehmen können. Die beiden Gebiete würden für die "wirtschaftliche Sicherheit" benötigt, sagte er. Am Dienstag hatte Trumps ältester Sohn, Donald Trump Jr., Grönland einen Privatbesuch abgestattet. Die rohstoffreiche Insel hat den Status eines autonomen Territoriums Dänemarks. Bei Kanada, das Trump in den vergangenen Tagen mehrfach als neuen US-Bundesstaat bezeichnet hatte, schloss er wirtschaftlichen Druck nicht aus. Trump tritt sein Amt als US-Präsident am 20. Januar an.
"Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land, egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen", sagte Scholz. "Und daran muss sich jeder Staat halten, egal ob es ein kleines Land ist oder ein sehr mächtiger Staat." Unverständnis über Trumps Äußerungen kam auch aus Paris. Die Europäische Union würde es nicht zulassen, dass andere Nationen ihre souveränen Grenzen angreifen würden, "wer auch immer sie sind", sagte der französische Außenminister Jean-Noel Barrot dem Radiosender France Inter. "Wir sind ein starker Kontinent." Die EU dürfe sich nicht einschüchtern lassen. Der scheidende US-Außenminister Antony Blinken nannte die Trump-Äußerung "keine gute Idee".
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, es sei gut, dass Scholz für die Europäer die Initiative ergriffen habe. "Insbesondere weil man fürchten muss, dass die US-Regierung künftig ihre Rolle unzuverlässig und impulsiv wahrnehmen wird", fügte er hinzu. Scholz habe die Kompetenz dazu. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sagte nur, dass man sich auf "disruptive" Entscheidungen von Trump einstellen müsse.
Grönlands Regierungschef Mute Egede traf sich am Mittwoch in Kopenhagen mit dem dänischen König Frederik. Grönland gehört mit seinen 57.000 Einwohnern seit 600 Jahren zu Dänemark und regelt als halbsouveränes Territorium unter dänischer Herrschaft die meisten seiner inneren Angelegenheiten selbst. Die Beziehungen zwischen Grönland und Dänemark waren in letzter Zeit wegen des Vorwurfs der Misshandlung von Grönländern während der Kolonialzeit angespannt. Egede hatte erklärt, dass die Insel nicht zum Verkauf stehe, will aber die Unabhängigkeit von Dänemark verstärken. Der dänische Außenminister Lars Lokke Rasmussen sagte, man kenne die Ansprüche Grönlands. "Wenn sie sich verwirklichen, wird Grönland unabhängig werden - wenn auch kaum mit dem Anspruch, ein Bundesstaat der Vereinigten Staaten zu werden", fügte er hinzu.
Für Irritationen sorgte Trump auch mit der Forderung, die Nato-Staaten sollten ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen. Scholz sagte, es gebe in der Nato ein geregeltes Verfahren, um die nötigen militärischen Fähigkeiten zu bestimmen. Unions-Kanzlerkandidat Merz (CDU) nannte die Trump-Äußerung im Radiosender Bayern 2 "irrelevant". Zunächst müsse das bestehende Nato-Ziel von zwei Prozent dauerhaft erfüllt werden. Dem widersprach CSU-Chef Markus Söder. Den TV-Sendern RTL/ntv sagte er zwar, dass die Forderung nach fünf Prozent sehr hoch sei. Aber eine Erhöhung auf "deutlich über drei Prozent" sei nötig. FDP-Chef Christian Lindner warnte gegenüber Welt-TV vor einem "Überbietungswettbewerb".
Zuvor hatten Union und SPD gerade die Forderungen des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck kritisiert, den Wehretat auf 3,5 Prozent anzuheben. "Den Wehretat von knapp 80 Milliarden Euro (ab 2027) auf 140 Milliarden Euro nochmals fast zu verdoppeln, ohne zu sagen, wofür das Geld aufgewendet werden und woher es kommen soll", hatte Scholz als unbedacht kritisiert. Eine Anhebung sogar auf fünf Prozent würde dann - je nach Wirtschaftswachstum - rund 200 Milliarden Euro Rüstungsausgaben jährlich bedeuten.
(Bericht von John Irish, Jacob Gronholt-Pedersen, Andreas Rinke, Alexander Ratz und Makini Brice Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)