Frankfurt, 14. Jan (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) wird mit ihren Leitzinsen laut Finnlands Notenbankchef Olli Rehn bald das konjunkturbremsende Niveau verlassen. Die Richtung der Geldpolitik sei klar, sagte das EZB-Ratsmitglied am Dienstag in einem Vortrag auf einer Veranstaltung in Hongkong. "Angesichts der aktuellen Konjunkturaussichten und unserer Reaktionsweise würde ich davon ausgehen, dass unsere Geldpolitik das restriktive Territorium verlassen wird, spätestens bis zum Mittsommer," sagte er. Geldpolitik gilt dann als restriktiv, wenn sie das Wirtschaftswachstum dämpft. Wo genau das neutrale Zinsniveau liegt, das die Wirtschaft weder bremst noch einheizt, ist unter den Währungshütern allerdings umstritten.
Die EZB hatte 2024 viermal die Zinsen nach unten gesetzt, zuletzt im Dezember um einen viertel Prozentpunkt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, zu dem Geldhäuser bei der Notenbank überschüssige Gelder parken und der mittlerweile als Leitzins für die Euro-Zone gilt, liegt aktuell bei 3,00 Prozent. Führende Euro-Wächter hatten angesichts der schwachen Konjunktur im Euroraum bereits weitere Zinssenkungen signalisiert. Die nächste EZB-Zinssitzung ist am 30. Januar.
Rehn zufolge kommt der Inflationsrückgang gut voran. Im Dezember lag die Teuerung in der 20-Länder-Gemeinschaft bei 2,4 Prozent. Das ist nicht mehr weit vom Ziel der EZB von 2,0 Prozent entfernt, das sie als ideal für die Wirtschaft anstrebt. "Auch der Lohndruck ist etwas zurückgegangen", sagte der finnische Notenbankchef. Die Wachstumsaussichten hätten sich inzwischen eingetrübt.
Der Umfang und das Tempo der Zinssenkungen würden von den eingehenden Daten zu drei Faktoren abhängen, sagte Rehn. Das seien die Inflationsaussichten und die zugrundeliegende Inflationsdynamik. Dazu komme als weiterer Faktor, wie sich die Geldpolitik auf die Wirtschaft auswirke. "Auf den kommenden Treffen sollten wir auch mehr Informationen über die Politik der neuen US-Regierung und die europäische Antwort darauf haben," sagte er. Erst unlängst hatte der designierte US-Präsident Donald Trump seine Zolldrohung gegen die Europäische Union mit einer Forderung zum Kauf von Öl und Gas aus den USA bekräftigt.
(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)