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29.12.2024 /15:48:36
FOKUS 1-Esken und Merz kritisieren Musk-Intervention für AfD scharf

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SPD-Chefin Esken: Deutsche Demokratie ist nicht käuflich



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Merz: Musk-Empfehlung "übergriffig und anmaßend"



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CDU-Politiker Frei sieht hingegen "keine illegale Wahlkampfbeeinflussung"



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(Durchgehend neu, mit Merz, DJV, Frei)
- von Andreas Rinke
Berlin, 29. Dez (Reuters) - Die Spitzen von SPD und CDU
haben die AfD-Wahlempfehlung des US-Milliardärs Elon Musk in der
"Welt am Sonntag" scharf kritisiert. "Unsere Demokratie ist
wehrhaft und sie ist nicht käuflich", sagte die
SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken der Nachrichtenagentur Reuters
am Sonntag. "Wer unsere Wahl von außen zu beeinflussen versucht,
wer eine antidemokratische, menschenfeindliche Partei wie die
AfD unterstützt, sei die Einflussnahme staatlich organisiert aus
Russland oder durch die geballte Geld- und Medienmacht von Elon
Musk und seinen Milliardärsfreunden im Konzernvorstand von
Springer, der muss mit unserem harten Widerstand rechnen", fügte
sie hinzu und kritisierte auch den Springer-Verlag. "Der
Wahlaufruf von Elon Musk ist übergriffig und anmaßend", sagte
CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz der
Funke-Mediengruppe. Dagegen gabt es aber auch Widerspruch aus
der CDU.

Esken und Merz reagierten damit auf einen Gastbeitrag von Musk in der "Welt am Sonntag", der eine heftige Kontroverse ausgelöst hatte. "Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat", kritisierte Merz. "Stellen wir uns einen kurzen Augenblick die - berechtigte - Reaktion der Amerikaner auf einen vergleichbar einseitigen Beitrag eines namhaften deutschen Unternehmers in der 'New York Times' zugunsten der Wahl eines Außenseiters im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf vor." Die AfD-Chefin Alice Weidel begrüßte hingegen die Wahlempfehlung von Musk.

SPD-Chefin Esken warf dem Besitzer der Online-Plattform X, der den designierten US-Präsidenten Donald Trump im Wahlkampf massiv unterstützt hatte, vor, "Politik als Geschäftsfeld" anzusehen. "Er hat 200 Millionen Dollar in den Wahlkampf für Trump investiert und sein Vermögen nach Trumps Wahl um satte 21 Milliarden steigern können", betonte sie. "In der Welt von Elon Musk sind Demokratie und Arbeitnehmerrechte Hindernisse zu mehr Profit. Der Kauf von Twitter war kein wirrer Kaufrausch, sondern eine gezielte strategische Investition", sagte sie in Anspielung auf Vorwürfe, dass Musk als Besitzer der inzwischen unter dem Namen X bekannten Online-Plattform keine Neutralität wahre, sondern sie zur Durchsetzung seiner politischen und wirtschaftlichen Interessen nutze. Seit dem Kauf habe Musk, der auch Chef des E-Autobauers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX ist, sein Gesamtvermögen auf 450 Milliarden Dollar fast verdoppeln können.

In Anspielung auf die Kündigung der Chefin des "Welt"-Meinungsressorts aus Protest gegen die Veröffentlichung des AfD-Wahlaufrufs von Musk sagte Esken: "Die Debatte und die teils harten Reaktionen, die die Veröffentlichung dieses Gastbeitrags auch in den Redaktionen ausgelöst hat, sind ein Hoffnungszeichen für die Widerstandskraft unserer unabhängigen Medien und unserer Demokratie." Die "Welt am Sonntag" hatte den Beitrag zusammen mit einem Gegenkommentar des designierten Chefredakteurs Jan Philipp Burgard veröffentlicht. Burgard und der zukünftige "Welt"-Herausgeber Ulf Poschardt verteidigten den Abdruck gegenüber Reuters mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit, zu der auch gehöre, sich mit polarisierenden Positionen auseinanderzusetzen und diese journalistisch einzuordnen.

"Als Journalismus verpackte Wahlwerbung für eine rechtsextreme Partei, eine schmeichelnde Distanzierung, die keine ist, und das Kaltstellen der redaktionsinternen Kritiker ? unglaublich", kritisierte dagegen der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Mika Beuster den Vorgang.

CDU-Chef Merz warf Musk grundlegende Fehler in seinem Artikel vor. "So hätte es mit der AfD den Bau seines Werkes in Brandenburg nie gegeben, denn es war die AfD, aus der der heftigste Widerstand gegen dieses Werk kam", betonte er. Der von der AfD befürwortete EU-Austritt würde der deutschen Wirtschaft und den Arbeitsplätzen in Deutschland massiv schaden. "Diese Zusammenhänge könnte man auch relativ leicht erkennen - vorausgesetzt, man informiert sich nicht allein über die eigenen Social Media Kanäle", fügte er hinzu.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, (CDU) sagte dagegen der "Rheinischen Post" (Montagausgabe), dass Musk "den Finger in die Wunde" lege und zu recht einige Missstände anprange. Er ziehe nur falsche Schlussfolgerungen, weil er von der AfD keine Ahnung habe. "Eine illegale Wahlkampfbeeinflussung kann ich dennoch nicht erkennen, zumal sich die Ampel-Koalition im Sommer ebenfalls sehr parteiisch zum US-Wahlkampf geäußert hatte", sagte der CDU-Politiker.

Musk hatte sich schon kurz vor Weihnachten mit einem Aufruf zugunsten der AfD und scharfer Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz in den deutschen Wahlkampf eingeschaltet. Scholz (SPD) hatte dem US-Milliardär daraufhin beschränktes politisches Einschätzungsvermögen bescheinigt. Merz stellte nun zudem ausdrücklich die Frage nach den Motiven des Tech-Unternehmers: "Wir wissen nicht, welche Interessen Elon Musk vertritt. Wir werden uns als Union allein davon leiten lassen, was im deutschen Interesse liegt."

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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