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15.10.2024 /07:30:00
FOKUS 1-Studie: 2024 wohl mehr Firmenpleiten in Deutschland als bisher erwartet

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Allianz Trade erwartet 2024 Anstieg um 25 Prozent auf 22.200



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Kreditversicherer: Insolvenzen entspannen sich erst 2026 leicht



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Studie: Firmeninsolvenzen ziehen auch weltweit an



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Wegen Großpleiten viele Jobs in Europa und Nordamerika in Gefahr





Berlin, 15. Okt (Reuters) - Wegen der Konjunkturflaute
gibt es immer mehr Firmenpleiten in Deutschland. Im laufenden
Jahr dürfte die Zahl um 25 Prozent auf rund 22.200 steigen, wie
aus einer Studie des Kreditversicherers Allianz Trade
hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag
vorlag. Im September hatte Allianz Trade nur mit einem Plus von
21 Prozent auf rund 21.500 Fälle gerechnet. Das Unternehmen
erhöhte auch seine Prognose für 2025 und rechnet dann mit einem
Anstieg um vier (bisher erwartet: zwei) Prozent auf 23.000
Insolvenzen. "Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche in Europa,
insbesondere in Deutschland, macht den hiesigen Unternehmen zu
schaffen", sagte Milo Bogaerts, Chef von Allianz Trade in
Deutschland, Österreich und der Schweiz.

"Durch eine stärkere Orientierung auf Wachstumsmärkte außerhalb Europas, sind sie Exportrisiken im Ausland ausgesetzt", erklärte der Manager. Erst 2026 zeichne sich mit einem Rückgang um vier Prozent auf 22.100 wohl eine leichte Entspannung ab. Viele Unternehmen kämpften mit einem Mix aus schleppender Nachfrage, höheren Löhnen, sinkender Wettbewerbsfähigkeit und fälligen Krediten, etwa aus der Corona-Zeit. Zudem sei die Refinanzierung oft teurer bei gleichzeitig schlechterer Zahlungsmoral und höheren Ausfallrisiken.

"Schwach finanzierte Unternehmen stehen auf Messers Schneide, und es dürfte eine deutliche Marktbereinigung stattfinden", sagte Bogaerts. Dennoch seien viele deutsche Unternehmen weiter finanziell robust und hätten vor allem im Mittelstand gezeigt, "dass sie jedem Sturm trotzen". Sie sollten jetzt den Mut finden, trotz Unsicherheiten in eine grüne Zukunft zu investieren, um bei der Erholung vorn mit dabei zu sein.

PLEITEN STEIGEN AUCH GLOBAL DEUTLICH UM 11 PROZENT

Auch für das weltweite Insolvenzgeschehen zeigt sich Allianz Trade pessimistischer. Der Kreditversicherer rechnet für 2024 mit einem Anstieg der globalen Zahl um elf Prozent und 2025 von zwei Prozent. "Unternehmensinsolvenzen werden sich voraussichtlich erst 2026 auf hohem Niveau stabilisieren", heißt es. Haupttreiber des erwarteten Anstiegs 2025 seien die USA mit +12 Prozent, nach 31 Prozent in diesem Jahr. Aber auch Russland (+16 Prozent) sowie China (+5 Prozent) und Taiwan (+7 Prozent) in Asien sowie Deutschland und Italien (je +4 Prozent) in Europa tragen demnach 2025 zum weltweiten Anstieg bei. In Frankreich und Großbritannien seien die Insolvenzen nach starken Anstiegen in den vorangegangenen Jahren bereits auf sehr hohen Niveaus und dürften sich 2025 leicht abschwächen (je -6 Prozent).

"Diese globale Achterbahnfahrt bei Unternehmensinsolvenzen ist zum Teil auf die nach wie vor gedämpfte globale Nachfrage, anhaltende geopolitische Unsicherheit und ungleiche Finanzierungsbedingungen zurückzuführen", sagte Aylin Somersan Coqui, Chefin der Allianz Trade Gruppe. Sie lasse sich aber auch durch eine Art Rückstau an Insolvenzen erklären. "Denn Unternehmen sind nicht mehr durch die während der Pandemie und der Energiekrise eingeführten Unterstützungsmaßnahmen geschützt." Die Bau-, Einzelhandels- und Dienstleistungsbranche seien am stärksten betroffen, sowohl in puncto Häufigkeit als auch Schwere der Insolvenzen.

Vor allem die Zahl der Großinsolvenzen hat ein neues Rekordniveau erreicht, wobei Westeuropa der Studie zufolge an der Spitze dieses Trends steht. Dies sei insbesondere in Europa und Nordamerika eine große Gefahr für Arbeitsplätze. Bis 2025 könnten in diesen Regionen mehr als 1,6 Millionen Jobs auf dem Spiel stehen, was rund acht Prozent der Gesamtzahl der Arbeitslosen entspricht und den höchsten Stand seit zehn Jahren markiert. Die am stärksten gefährdeten Sektoren sind das Baugewerbe, der Einzelhandel und die Dienstleister.

(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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