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Kanzler: Nicht Sicherheit gegen Soziales ausspielen |
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Scholz und SPD fordern Verabschiedung Gesetzes von Union |
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Merz fordert generelle Politikwende |
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AfD, Linke und BSW kritisieren Blockade des Bundestages |
(Stellt in den Bullets Kürzel richtig: BSW) |
- von Andreas Rinke und Alexander Ratz |
Berlin, 13. Nov (Reuters) - Nach der Einigung über einen |
Neuwahltermin haben sich Kanzler Olaf Scholz und |
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz einen heftigen |
Schlagabtausch im Bundestag geliefert. In einer bereits stark |
vom Wahlkampf geprägten Debatte betonte Scholz, dass er keine |
Spaltung im Land zulassen werde. "Sicherheit und Zusammenhalt, |
das eine ist ohne das andere nicht zu haben", sagte er mit Blick |
auf die Ukraine-Hilfe und die Ausgaben für die Bundeswehr. Weil |
die FDP ihn vor diese Wahl gestellt habe, sei ein Bruch der |
Ampel-Regierung unabdingbar gewesen. CDU-Chef Merz und auch |
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warfen dem Kanzler |
dagegen vor, dass gerade er mit seiner Politik das Land spalte. |
Die Debatte war stark von der Auseinandersetzung um den Rauswurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) durch Kanzler Scholz geprägt. Während Merz dem Kanzler eine unangemessene Tonlage vorwarf, rechtfertigte Scholz das Ende der von ihm angeführten Ampel-Regierung unter anderem mit Lindners Weigerung, einen Überschreitungsbeschluss im Rahmen der Schuldenbremse für die Ukraine-Hilfe festzustellen und zugleich Rentenkürzungen verlangt zu haben. Lindner ging ebenfalls lange auf seine Entlassung ein und warf dem Kanzler vor, ihn vor die Wahl eines Verfassungsbruchs gestellt zu haben. "Manchmal ist eine Entlassung eine Befreiung", sagte er.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die den wegen einer Flugzeugpanne verhinderten Vizekanzler Robert Habeck vertrat, räumte Probleme in der Ampel-Koalition ein, die ein schwieriges Bündnis gewesen sei. Allerdings sei der Versuch, eine SPD-Grünen-FDP-Regierung zu bilden und zusammenzuhalten immer noch verantwortungsvoller als das Vorgehen des CSU-Chefs Söder, der 2021 ein Jamaika-Bündnis verhindert habe.
Sowohl Scholz als auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich appellierten vor allem an Oppositionsführer Merz, dass er dazu beitragen solle, dass etliche Gesetzesvorhaben noch vom Bundestag beschlossen werden könnten. "Schlagen Sie sich dort nicht in die Büsche. Es ist wichtig, dass die Menschen Sicherheit haben", sagte Mützenich mit Blick auf die Erhöhung des Kindergelds, die Abmilderung der Kalten Progression, das Deutschland-Ticket und Gesetzesvorhaben zur Entlastung der Wirtschaft. "Es wäre eine gute Sache, wenn wir in diesem Jahr noch solche Entscheidungen treffen", sagte der Kanzler. "Mein Appell an dieses Haus: Lassen Sie uns da, wo wir einig sind, auch einig sein." Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) appellierte an den Bundestag, dass er unbedingt noch dem Gesetz zur Umsetzung der Europäischen Asylpolitik und Hilfen für die Unternehmen zustimmen solle.
Oppositionsführer Merz wies diese Forderungen zurück. "Sie haben hier von dieser Stelle aus keine Bedingungen mehr zu stellen", sagte er in Richtung Scholz. "Wir sind nicht der Auswechselspieler für ihre auseinandergebrochene Regierung." Merz forderte einen grundlegenden Neustart in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. "Keine Regierung hat dieses Land tiefer gespalten als die Ampel-Regierung", sagte auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Er redete bereits von einem "Kanzler Friedrich Merz".
Kanzler Scholz wies die Vorwürfe zurück: "Ich werde die Bürgerinnen und Bürger niemals vor die Wahl stellen: Entweder wir investieren in unsere Sicherheit oder in gute Arbeitsplätze und Wirtschaft und Infrastruktur. Entweder wir geben Geld für die Bundeswehr oder wir haben sichere Renten. Entweder wir unterstützen die Ukraine oder wir investieren in Deutschland", betonte er. "Dieses 'Entweder oder', das ist ein Konjunkturprogramm für Populisten und Extremisten", warnte er und skizzierte damit bereits die inhaltliche Aufstellung der SPD für die vorgezogenen Neuwahlen.
Vor der Debatte hatten AfD, Linke und BSW den Parteien SPD, Grünen, Union und FDP eine Blockade der Bundestags-Arbeit vorgeworfen und vergeblich versucht, weitere Themen auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen. Union, SPD und Grüne hatten viele Gesetzesprojekte zurückgestellt, weil sie zunächst klären wollen, was noch gemeinsam beschlossen werden kann. Weil die Tagesordnung des Bundestages dadurch stark zusammengestrichen wurde, konnten auch Anliegen der Oppositionsparteien nicht mehr debattiert werden.
Scholz appellierte in seiner Rede auch, dass die demokratischen Parteien ungeachtet des Wahlkampfes daran denken müssten, dass sie sich nach der Wahl wieder zusammensetzen müssten. Deshalb sei Kompromissfähigkeit wichtig. AfD-Co-Fraktionschefin Alice Weidel kündigte einen "Zukunftsplan für Deutschland" an, falls die AfD an einer Regierung beteiligt werden solle. Allerdings lehnen alle anderen Parteien eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei ab.
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)