Berlin, 24. Jan (Reuters) - Vor dem Hintergrund des Konflikts mit Großaktionär MFE verliert ProSiebenSat.1 <PSMGn.DE> seinen Aufsichtsratschef Andreas Wiele. Der ehemalige Axel-Springer-Manager habe Aufsichtsrat und Vorstand am Freitag darüber informiert, dass er nach Ablauf seiner Wahlperiode keine weitere Amtszeit als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats anstrebe, teilte der deutsche Fernsehkonzern am Abend mit. Wiele werde daher zur Hauptversammlung am 28. Mai 2025 aus dem Kontrollgremium ausscheiden. Der Aufsichtsrat und sein Nominierungsausschuss werden nun unmittelbar die Suche nach einer geeigneten Nachfolge einleiten, um der Hauptversammlung einen Vorschlag zu machen.
Der italienische Fernsehkonzern MFE-Mediaforeurope hat sich nach eigenen Angaben jüngst Kredite über 3,4 Milliarden Euro für seine internationalen Expansionspläne gesichert. Der Konzern steht mit einem Anteil von 29,99 Prozent an ProSiebenSat.1 kurz vor der Schwelle, die ein Pflichtangebot für die übrigen Anteile an dem bayerischen Fernsehunternehmen nach sich zöge. Berlusconi schwebt ein paneuropäischer Medienkonzern vor, der Streaminganbietern wie Netflix <NFLX.O> Paroli bieten kann. Die Italiener und auch der tschechische Aktionär PPF mit knapp 15 Prozent haben das ProSiebenSat.1-Management wiederholt aufgefordert, möglichst rasch Assets außerhalb des Kerngeschäfts TV und Unterhaltung zu verkaufen.
Der seit 2022 amtierende Wiele hatte sich vor der turbulenten Hauptversammlung 2024 gegen das Vorgehen von MFE gewandt. Seit längerem war in der Branche klar, dass Wiele nur eine weitere Amtszeit als Aufsichtsratschef mit dem Rückhalt der Italiener und Tschechen bekommen könnte. Dies galt zuletzt zunehmend als unwahrscheinlich. Mit der Fokussierung auf das Kerngeschäft, Investitionen in lokale Inhalte und Wachstum des Streamingdienstes Joyn habe die Strategie erste Erfolge erzielt, sagte Wiele und betonte: "Gleichzeitig haben sich die Aktionärsstruktur und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats seit meinem Amtsantritt 2022 stark verändert." Dies dürfte ein Seitenhieb darauf sein, dass ProSiebenSat.1 bei der Besetzung des Aufsichtsrats Vertreter von MFE und PPF oder von ihnen vorgeschlagene Personen als überrepräsentiert sieht. "Daher ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, das Amt geordnet in neue Hände zu übergeben, um den eingeschlagenen Transformationspfad konsequent weiterzugehen", sagte Wiele.
(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)