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11.06.2025 /06:14:00
WDHLG-FOKUS 1-Merz sieht keine Gefahr sogenannter Bürgerwehren an deutschen Grenzen

(Wiederholung vom Vorabend)

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Kanzler und Innenminister erwarten dann hartes Durchgreifen



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Merz: Gibt aber überhaupt keinen Anlass zu solche Erwägungen



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Niederländischer Ministerpräsident kritisiert Wilders

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Kritik der GdP an Regierungskurs der Zurückweisungen
 
Berlin, 10. Jun (Reuters) - Bundeskanzler Friedrich Merz
sieht keine Gefahr, dass sich auch in Deutschland wie in den
Niederlanden sogenannte Bürgerwehren bilden könnten, um
selbstständig Grenzkontrollen vorzunehmen. "Wenn das jemand in
Deutschland tun würde, wäre das rechtswidrig", sagte der
CDU-Vorsitzende am Dienstag. "Ich gehe davon aus, dass die
zuständigen Behörden, auch die Bundespolizei und diejenigen, die
die Aufgabe haben, die Grenzen zu kontrollieren, so etwas auch
sofort unterbinden würden", fügte er hinzu. Er sehe aber im
Augenblick überhaupt keine Veranlassung dazu, so etwas auch nur
zu erwägen. Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)
wiegelte ab. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte
dagegen kritisch und warnte auch die Bundesregierung vor einer
Eskalation.

Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof kritisierte die Aktionen bei einem Besuch in Berlin und warf dem rechtspopulistischen Politiker Geert Wilders "unnötiges und unverantwortliches Verhalten" vor. Über Pfingsten hatte ein Dutzend rechter Aktivisten in den Niederlanden eigenständig Fahrzeugkontrollen an der Grenze zu Deutschland durchgeführt. Dies hatte Wilders ausdrücklich begrüßt. Er hatte erst wenige Tage zuvor die niederländische Regierung aus vier Parteien platzen lassen, weil seine rechtspopulistische Partei die Koalition in Den Haag verließ. Es sei unverantwortlich in dieser geopolitischen Lage, dass Wilders damit die Stabilität der niederländischen Politik aufs Spiel setzte, kritisierte Schoof. Wahrscheinlich finden nun im Oktober in dem EU-Land Neuwahlen statt.

Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), warnte vor den Folgen der Entwicklung. "Deutschland führt mit einem gewaltigen Personalaufwand Binnen-Grenzkontrollen zum Ärger der europäischen Nachbarn durch. Anstatt gemeinsame Lösungen mit den Nachbarländern zu finden, formieren sich dort nun vermehrt Bürgerwehren und private Grenzkontrollen, die sogar akzeptiert werden", kritisierte Kopelke gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Freizügigkeit und das Schengen-System seien noch nie so gefährdet wie aktuell.

Er verwies darauf, dass sich auch in Polen oder Belgien Bürgerwehren gebildet hätten. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auch in Deutschland ähnliche Strukturen etablieren." Kopelke verwies auf selbsternannte Grenzschützer an der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder), die dort sichtbar aufträten. "Das gefährdet nicht nur die innere Sicherheit, sondern auch das Vertrauen in unseren souveränen Rechtsstaat."

Auch der Chef der Abteilung Bundespolizei in der GdP, Andreas Rosskopf, warnte: "Wir glauben, dass solche Initiativen von Bürgern zu einer Zunahme von Aggressionen führen können", sagte Rosskopf. Er könne nur "dringend davon abraten. ... Was wir auf keinen Fall wollen, ist eine Eskalation der Lage."

Rosskopf übte auch Kritik an Innenminister Dobrindt: Die Rechtsunsicherheit durch die Einzelfallentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin gegen eine Abschiebung von drei Somaliern an der deutsch-polnischen Grenze sorge für "Besorgnis und Zurückhaltung unter den Beamten", sagte Rosskopf. Die vom Innenminister angeordnete Linie mit viel mehr Personal hätte zudem in vier Wochen nur zu 160 zusätzlichen Zurückweisungen geführt. Schleuserbanden passten sich möglicherweise an und beobachteten die neuen Maßnahmen. Daten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zeigten, dass weiterhin illegale Grenzübertritte stattfänden. Migranten mieden einfach Hauptstraßen und nutzten nun kleinere Wege, um die Grenze zu überqueren. Rosskopf schlug vor, zu dem Vorgehen der früheren Regierung zurückzukehren.

(Bericht von Andreas Rinke, Markus Wacket, Riham Alkoussa, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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