Berlin, 22. Jan (Reuters) - Trotz einer zuletzt anziehenden Teuerung ist aus Sicht von Bundesbankchef Joachim Nagel die Inflation im Euroraum wohl bald unter Kontrolle. "Ich bin zuversichtlich, dass die Inflation in der Euro-Zone zur Jahresmitte wieder bei unserem Ziel von 2,0 Prozent liegen wird, weil sich die Lohndynamik normalisiert und weil die wirtschaftliche Entwicklung in Europa weiterhin gedämpft verläuft", sagte er dem "Spiegel". Ob dies auch bedeute, dass die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Jahresmitte bis auf zwei Prozent sinken, ließ Nagel offen.
"Wo der Leitzins des Eurosystems dann liegen wird, möchte ich nicht sagen. Aber ich denke, die neutrale Rate, bei der der Leitzins die Wirtschaft stützt und zugleich die Inflation konstant hält, könnte mittelfristig in einem Bereich um die zwei Prozent liegen", sagte der Bundesbankchef.
Auf dem Höhepunkt der Inflationsphase hatte die Teuerung in der Euro-Zone im Oktober 2022 einen Rekordwert von 10,6 Prozent erreicht. Der Inflationsdruck in der Euro-Zone hat zwar seither deutlich nachgelassen, ist im Dezember aber den dritten Monat in Folge wieder gestiegen. Waren und Dienstleistungen verteuerten sich zum Jahresschluss um durchschnittlich 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Dies ist der höchste Stand seit Juli 2024. Im November lag die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft noch bei 2,2 Prozent, im Oktober bei 2,0 und im September bei 1,7 Prozent. Besonders für Dienstleistungen und Nahrungsmittel mussten die Verbraucher tiefer in die Taschen greifen.
Der nächste Zinsentscheid der EZB-Währungshüter steht am 30. Januar an. Momentan liegt der für die Finanzmärkte relevante Einlagesatz bei 3,0 Prozent. Investoren rechnen für nächste Woche fest mit einer Senkung. Darüber hinaus wird darauf spekuliert, dass noch dieses Jahr bis zu drei weitere Schritte nach unten folgen könnten. So dürfte zum Jahresende ein Leitzinsniveau von 2,0 Prozent erreicht sein.
(Bericht von Reinhard Becker, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)