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06.11.2024 /15:09:55
FOKUS 1-Top-Ökonomen: Trumps Wirtschaftspolitik vernichtet Wohlstand

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IfW: Ökonomisch schwierigster Moment für Bundesrepublik

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Ifo: Schaden von 33 Milliarden Euro möglich
 
(neu: mit Fratzscher und Fuest)
Berlin, 06. Nov (Reuters) - Top-Ökonomen sehen durch den
Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl schwere
Zeiten für die deutsche Wirtschaft anbrechen. Damit beginne "der
ökonomisch schwierigste Moment in der Geschichte der
Bundesrepublik", sagte der Präsident des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, am Mittwoch. Zur
inneren Strukturkrise kämen nun noch massive
außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen
hinzu, "auf die wir nicht vorbereitet sind". Trumps
wirtschaftspolitische Maßnahmen dürften protektionistische Zölle
und Einfuhrbeschränkungen umfassen, die das Wachstum in
Deutschland und Europa weiter belasten dürften.

Ähnlich sieht das der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach. "Die Wahl Trumps zum Präsidenten der USA führt wahrscheinlich zu höheren Zöllen und niedrigeren Steuern für Unternehmen in den Vereinigten Staaten", sagte Wambach der Nachrichtenagentur Reuters. Zudem werde sich die US-Politik noch stärker auf sich selbst fokussieren. "Das erhöht den Druck auf europäische Unternehmen, ihre Produktion in die USA zu verlagern." Deutschland und die EU müssten ihren Wirtschaftsstandort dringend stärken. "Nur ein dynamischer Binnenmarkt ist ein Garant dafür, nicht zwischen den Wirtschaftsblöcken USA und China zerrieben zu werden."

"HÖHERE INFLATION"

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet durch Trumps Wirtschaftspolitik sowohl in den USA als auch weltweit Wohlstandsverluste. "Die angekündigten Strafzölle und Handelskonflikte werden zu höherer Inflation, weniger Kaufkraft und dem Verlust von Arbeitsplätzen führen", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. "Die Hauptleidtragenden dürften nicht die USA, sondern offene Volkswirtschaften wie Deutschland sein." Die privaten Investitionen in Deutschland dürften weiter zurückgehen, was die Deindustrialisierung beschleunigen könnte.

"Trump verfolgt eine ausgeprägt protektionistische
Agenda, die auf höhere Importzölle und stärkere Beschränkungen
des internationalen Handels setzt, insbesondere gegenüber China
und potenziell auch gegenüber Europa", sagte Ifo-Präsident
Clemens Fuest. Deutsche Exporteure müssten auf ihrem wichtigsten
Absatzmarkt mit empfindlichen Einbußen rechnen, sollte Trump
seine Drohung wahr machen und Basiszölle von 20 Prozent auf
Importe aus der EU und 60 Prozent auf Importe aus China erheben.
Diese Maßnahmen würden allein in Deutschland einen erheblichen
wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro bedeuten,
rechnete das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut vor. Die
deutschen Exporte in die USA könnten um etwa 15 Prozent
zurückgehen. Zusätzlich dürften die Ausfuhren nach China um zehn
Prozent sinken, weil die Exporte der Volksrepublik in die USA
massiv schrumpfen dürften.
SCHLECHT FÜR EXPORTLAND DEUTSCHLAND

Auch Banken-Ökonomen sehen schwierige Zeiten für Deutschland aufziehen. Trumps angekündigter Zollsatz von mindestens zehn Prozent für alle Importe in die USA wäre besonders für das Exportland Deutschland schlecht, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Die Zölle verteuern nicht nur deutsche Waren in den USA, sondern dürften auch zu Gegenzöllen der EU führen, was den Außenhandel weiter belasten würde." Außerdem erhöhe eine von Trump forcierte De-Globalisierung mittelfristig die Inflationsrisiken auch im Euroraum. Sollte Trump die Körperschaftssteuer weiter senken, "würde Deutschland mit seinen hohen Steuersätzen noch weiter ins Hintertreffen geraten".

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sieht Deutschland schlechter vorbereitet als beim ersten Wahlsieg Trumps 2016. "Während die erste Amtszeit von Trump eine deutsche Wirtschaft in Hochblüte traf und noch das Wirtschaftswunder 2.0 gefeiert wurde, kommen mögliche Strafzölle, Deregulierung des US-Finanzsektors und geopolitische Spannungen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt", sagte Brzeski. "Nach vier Jahren Stagnation und strukturellen Schwächen ist Deutschland nicht nur der 'kranke Mann Europas', sondern auch verwundbarer als vor acht Jahren."

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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