Hamburg/Berlin, 11. Jan (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ringen um die richtige Strategie im Umgang mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Scholz erneuerte auf dem SPD-Sonderparteitag in Berlin seine Kritik an Äußerungen von Trump, der die Unabhängigkeit Kanadas infrage gestellt und Ansprüche auf Grönland und den Panama-Kanal erhoben hatte. Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gelte für ihn genauso wie die Werte von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, sagte er. "Die SPD wird weiter fest zu diesen Werten stehen, ich werde weiter fest zu diesen Werten stehen." Allerdings stünden diese Werte unter Druck, würden relativiert, mitunter sogar bekämpft. Scholz hatte sich am Mittwoch mit etlichen EU-Regierungschefs abgestimmt.
CDU-Chef Merz kritisierte den Kanzler jedoch. Ein erhobener Zeigefinger aus Deutschland werde Trump nicht beeindrucken, sagte er nach Abschluss der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands in Hamburg. "Wer Kredit verspielen will, muss es genauso machen", sagte der Oppositionsführer. Er sehe sehr viel mehr Zusammenarbeitsmöglichkeiten als Konflikte mit Washington. Merz betonte sein Angebot an die künftige US-Regierung, mit ihr über ein EU-USA-Freihandelsabkommen sowie eine gemeinsame China-Strategie zu sprechen. Dies setze aber eine einheitliche europäische Position voraus. "Bevor wir Botschaften in die USA schicken, sollten wir uns auf europäischer Ebene verständigen", sagte Merz. Er werde nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren, sagte er mit Hinweis auf Trumps Amtsantritt am 20. Januar. Europa müsse selbst versuchen, möglichst stark zu werden. Dies gelte auch für die Forderung Trumps, dass die Nato-Verbündeten ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung erhöhen müssten. "Unabhängig davon, ob jetzt zwei Prozent, drei Prozent, fünf Prozent oder zehn Prozent in den Raum gestellt werden: Wir müssen uns verteidigen können", sagte Merz.
Trump hatte es am Montag nicht ausgeschlossen, militärische oder wirtschaftliche Maßnahmen einzusetzen, damit die USA die Kontrolle über Grönland und den Panamakanal übernehmen können. Die für Grönland zuständig dänische Regierung hat laut dem Mediendienst Axios das Trump-Team informiert, dass sie bereit ist, über die Erhöhung der Sicherheit in Grönland oder die Verstärkung der US-Militärpräsenz dort zu diskutieren, ohne die Insel aber verkaufen oder übergeben zu wollen.
(Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz ; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)