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08.10.2024 /08:33:51
SPOTANALYSE-Ökonomen zum unerwartet starken Anstieg der deutschen Produktion

Berlin, 08. Okt (Reuters) - Die Unternehmen in Deutschland haben trotz der Konjunkturflaute ihre Produktion überraschend kräftig hochgefahren. Industrie, Bau und Energieversorger stellten im August zusammen 2,9 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Plus von 0,8 Prozent gerechnet, nachdem der Ausstoß im Juli noch um revidiert 2,9 Prozent gesunken war. Im weniger schwankungsanfälligen Dreimonatsvergleich war die Produktion von Juni bis August allerdings um 1,3 Prozent niedriger als in den drei Monaten zuvor.

Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
 
SEBASTIAN DULLIEN, GEWERKSCHAFTSNAHES INSTITUT IMK:
 
"Der Anstieg der Industrieproduktion im August sollte
nicht als Signal für eine nachhaltige Trendwende im deutschen
Verarbeitenden Gewerbe gesehen werden. Der Anstieg ist zum Teil
eine Korrektur des außergewöhnlich schwachen Juli-Wertes und
zudem von Sonderfaktoren beeinflusst, wie man etwa an den extrem
schwankenden Produktionszahlen im Automobilbau sieht. Sowohl
Auftragseingänge als auch Umfragen unter den Unternehmen wie das
Ifo-Geschäftsklima oder der Einkaufsmanagerindex deuten darauf
hin, dass die Talsohle noch nicht durchschritten ist. Auch mit
dem Plus sind die Produktionszahlen für das dritte Quartal
insgesamt schwach. Um tatsächlich eine zügige und durchgreifende
Konjunkturerholung zu erreichen, müsste die Politik auch für
mehr Rückenwind bei der Industrie sorgen. Die Bundesregierung
müsste jetzt die Konzepte eines Brückenstrompreises
wiederbeleben und zugleich verlässlich eine große öffentliche
Investitionsoffensive auflegen. Für die Automobilindustrie wäre
eine echte, ganzheitliche Industriepolitik notwendig."
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

"Nach den schwachen Auftragseingängen für den August ist die Industrieproduktion reine Labsal. Die deutsche Automobilproduktion legte im August mächtig zu, nachdem es im Monat zuvor bei den deutschen Autobauern einen merklichen Rücksetzer gegeben hatte. Der Blick auf die deutsche Industrieproduktion sieht in Anbetracht des schwachen Auftragseingangs verhältnismäßig gut aus. Von den bisher veröffentlichten acht Monaten in diesem Jahr war die Industrieproduktion im laufenden Jahr lediglich drei Mal rückläufig. Dass die Bilanz bisher nicht schlechter ausfiel, ist auch dem Anziehen der energieintensiven Produktion zu verdanken. Verglichen mit dem Jahr 2022 liegen die Gas- und Strompreise auf verhältnismäßig niedrigen Niveaus, was in einem höheren Ausstoß energieintensiver Betriebe mündet. Doch die mauen Auftragseingänge sind für die Industrieproduktion mittelfristig eine schwere Bürde ? und in weiterer Folge leider auch für die Beschäftigungssituation."

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

"Endlich mal wieder ein guter Monatswert. Aber eigentlich nur ein Ausreißer nach oben, bedingt durch die derzeit volatile Automobilproduktion. Deshalb dürfte es im September mit der Produktion insgesamt eher wieder abwärts gehen. Im Wust der Zahlen fällt positiv auf, dass es zumindest mit den energieintensiven Branchen etwas aufwärts geht. Sowohl im Vorjahres- als auch im Vormonatsvergleich war ein Plus zu verzeichnen. Aber das dürfte kaum reichen, um den derzeitigen generellen Abwärtstrend der deutschen Industrie zu einem Aufschwung zu wenden."

CYRUS DE LA RUBIA, CHEFÖKONOM HCOB BANK:
 
"Die Industrieproduktion ist im Augustgestiegen, so wie
das die Industrieumsatzzahlen von gestern bereits nahegelegt
hatten. Der Impuls kam vor allem von der Autoindustrie, deren
Produktion jedoch sehr stark schwankt. Ein Monatswert macht
daher noch keinen Trend. Dazu kommt, dass dievorausschauenden
Auftragseingänge weiter nach unter zeigen. Vielmehr dürfte sich
zunächst der Abwärtsverlauf fortsetzen, der bereits 2018
eingesetzt hat. Derzeit wird rund zwölf Prozent weniger
produziert als das 2018 im Durchschnitt der Fall war."

(Bericht von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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