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19.09.2024 /13:01:12
FOKUS 1-Wirtschaft und Ökonomen - Deutschland profitiert von US-Zinswende

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IW: Besonders die Industrie kann davon profitieren



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DIHK: Gutes Signal für unsere Exportwirtschaft



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Dax steigt auf Rekordhoch



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"Keine Zinssenkung kann Folgen neuer Handelskriege ausgleichen"





(neu: mit DIHK, Aktienmarkt)
Berlin, 19. Sep (Reuters) -

Wirtschaft, Ökonomen und Anleger sind sich einig: Die Zinswende der US-Notenbank Fed kommt Deutschland angesichts der hartnäckigen Konjunkturflaute wie gerufen. "Das ist insgesamt eine gute Nachricht", sagte der Konjunkturchef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Michael Grömling, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters zur ersten US-Zinssenkung seit 2020. Besonders profitieren könne die Industrie von sinkenden Finanzierungskosten bei ihrem wichtigsten Auslandskunden - und hier vor allem die Hersteller von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen.

"Wenn die US-Konjunktur auch aufgrund der Zinswende
wieder mehr Schwung erhält, ist das immer auch ein gutes Signal
für die deutsche Exportwirtschaft", sagte der
Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer
(DIHK), Volker Treier. "Denn die USA sind vom Volumen her
weiterhin unser wichtigster Absatzmarkt."
 
Börseninvestoren teilen diesen Optimismus: Der deutsche
Leitindex Dax <.GDAXI> kletterte am Donnerstag auf ein Rekordhoch
und übersprang erstmals die Marke von 19.000 Punkten. Die
US-Währungshüter hatten am Mittwochabend erstmals seit Anfang
des Jahrzehnts ihren Leitzins gesenkt - und das gleich um einen
halben Prozentpunkt. Der Schlüsselsatz liegt nun in der Spanne
von 4,75 bis 5,00 Prozent, was die Finanzierung von
Investitionen und Konsum billiger machen dürfte.
WEICHE LANDUNG ERWARTET

"Das starke Eingreifen der Fed erhöht die Chance, dass die US-Wirtschaft eine sanfte Landung hinlegen wird", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski, nachdem zeitweise ein Abgleiten in eine Rezession befürchtet worden war. "Das wäre auch für die deutsche Wirtschaft eine gute Nachricht, denn knapp zehn Prozent unserer Exporte gehen in die USA." Niedrigere Zinsen und eine nur leicht abkühlende Konjunktur sollten die Nachfrage nach deutschen Autos und anderen Konsumgütern stärken.

Anhaltende und nennenswerte Zinssenkungen dürften die Finanzierungskosten der Investoren und deren Investitionsneigung positiv beeinflussen, fügte Grömling hinzu. Bei der relativ hohen Kreditfinanzierung beim US-Konsum dürfte sich dies ebenfalls belebend niederschlagen. "Damit geht von der US-Konjunktur eine deutlich stabilisierende Wirkung auf die Weltwirtschaft aus", sagte der IW-Experte - zumal auch andere Zentralbanken mit einer Lockerung folgen dürften.

Die USA haben im ersten Halbjahr China als wichtigsten Handelspartner Deutschlands abgelöst. Der Warenaustausch mit der weltgrößten Volkswirtschaft summierte sich von Januar bis Juni auf rund 127 Milliarden Euro, während Exporte und Importe mit der Volksrepublik knapp 122 Milliarden Euro ausmachten. Dabei wuchsen die deutschen US-Exporte gegen einen negativen Gesamttrend um 3,3 Prozent auf fast 81 Milliarden Euro.

WAHLAUSGANG NOCH WICHTIGER

Allerdings warnen Experten vor zu viel Euphorie. "Vieles hängt auch noch vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen ab", sagt ING-Chefvolkswirt Brzeski. "Denn keine Zinssenkung der Welt kann die negativen Folgen für Deutschland von neuen Handelskriegen auffangen." US-Vizepräsidentin Kamala Harris tritt im November gegen Ex-Präsident Donald Trump an, der in seiner ersten Amtszeit Strafzölle eingeführt und einen protektionistischen Kurs in der Wirtschaftspolitik eingeschlagen hatte.

Auch die DIHK sieht in der Zinswende allein noch keinen Grund für Euphorie. "Zugleich erhöht das natürlich auch den Wettbewerbsdruck, dem der Standort Deutschland im weltweiten Wettbewerb um Investitionen ausgesetzt ist", sagte Außenwirtschaftschef Treier. Deshalb sei es umso wichtiger, dass die Politik in Deutschland und der EU ihre Hausaufgaben mache. Dazu gehörten weniger Bürokratie und weniger Abgaben sowie mehr Fortschritte bei Digitalisierung und Investitionen.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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