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01.10.2024 /17:03:55
TOP-THEMA-Israel geht mit Bodentruppen gegen Hisbollah im Südlibanon vor

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Israel: "Begrenzter" Angriff, kein Vorrücken auf Beirut

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USA: Hinweise auf bevorstehenden Angriff Irans

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Westen warnt vor weiterer Eskalation
 
(Neu: USA zu Iran, Einzelheiten)
- von Timour Azhari und James Mackenzie und Maya Gebeily
Beirut, 01. Okt (Reuters) - Nach tagelangen intensiven
Luftangriffen sind israelische Truppen in den Südlibanon
einmarschiert und dort gegen Stellungen der schiitischen
Hisbollah-Miliz vorgegangen. Nach israelischen Angaben vom
Dienstag handelte es sich dabei um einen "begrenzten"
Bodenangriff. Ein Militärsprecher betonte, man werde nicht nach
Beirut oder größere Städte im Südlibanon vorrücken. Die vom Iran
unterstützte Hisbollah feuerte nach eigenen Angaben Raketen auf
Israel ab, darunter auch auf die Zentrale des israelischen
Geheimdienstes Mossad in Tel Aviv. International löste die
Eskalation Besorgnis aus.

Die USA haben einem ranghohen Regierungsvertreter zufolge Hinweise darauf, dass der Iran in Kürze einen ballistischen Raketenangriff auf Israel starten wird, um die anhaltenden Angriffe auf die Hisbollah zu vergelten. Die USA unterstützten aktiv die Vorbereitungen zur Verteidigung Israels gegen diesen Angriff, erklärte der Vertreter des Weißen Hauses. Ein direkter militärischer Angriff des Irans auf Israel würde schwere Folgen für die Islamische Republik nach sich ziehen, sagte er. Ein Angriff könne das Ausmaß vom April haben. Damals konnten allerdings die meisten iranischen Raketen abgefangen werden. Die Hisbollah wurde vom Iran aufgebaut und kontrolliert. Erklärtes Ziel der radikal-islamischen Organisation ist die Vernichtung Israels.



"IN MILITÄRBASEN VERWANDELT"

Bei Luftangriffen sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Mitglieder der Führung der Hisbollah getötet worden, zuletzt deren Anführer Hassan Nasrallah am vergangenen Freitag. Nach libanesischen Angaben sind bei den Angriffen rund 1000 Zivilisten getötet und eine Million Menschen in die Flucht getrieben worden.

Das israelische Militär erklärte, die Bodenangriffe zielten auf Hisbollah-Hochburgen entlang der Grenze, die Israel bedrohten, und seien kein Krieg gegen die libanesische Bevölkerung. "Die Hisbollah hat libanesische Dörfer, die an israelische Dörfer angrenzen, in Militärbasen verwandelt, die für einen Angriff auf Israel bereit sind", sagte Militärsprecher Daniel Hagari.

Am Nachmittag berief die israelische Armee vier
zusätzliche Reservistenbrigaden für Einsätze an der Nordgrenze
zum Libanon ein. "Dies wird die Fortsetzung der operativen
Tätigkeit gegen die terroristische Organisation Hisbollah
ermöglichen und das Erreichen operativer Ziele unterstützen,
einschließlich der sicheren Rückkehr der Bewohner Nordisraels in
ihre Heimat", heißt es in einer Erklärung des Militärs.

Zu Schäden auf israelischer Seite durch Raketen der Hisbollah gab es wenig Informationen. Der israelische Rettungsdienst teilte aber mit, dass zwei Menschen durch Schrapnelle aus dem Sperrfeuer der Raketen verwundet worden seien, die auf Tel Aviv und den Großraum Zentralisrael abgefeuert wurden.

BAERBOCK: MILITÄRISCHE LOGIK ALLEIN BRINGT KEINE SICHERHEIT
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock rief zur
Mäßigung auf. "Die militärische Logik allein wird für die
Menschen in Israel und auch für die Menschen in der Region keine
Sicherheit auf Zukunft bringen", sagte Baerbock in Berlin. Ein
"regionaler Flächenbrand" müsse verhindert werden, hierfür trage
auch der Iran Verantwortung. Israel habe allerdings das Recht
und die Pflicht, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. "Die
Hisbollah ist eine Terror-Organisation", betonte Baerbock. Sie
habe "viele, viele unschuldige Leben auf dem Gewissen".

Der britische Außenminister David Lammy warnte, Israel solle eine Wiederholung der Vergangenheit vermeiden und sich nicht in einem "Sumpf" im Libanon verzetteln. Der spanische Außenminister Jose Manuel Albares sagte, Israel solle seine Bodenangriffe im Südlibanon einstellen, um eine Eskalation des Konflikts in der gesamten Region zu vermeiden. Der Libanon steht nach Einschätzung seines geschäftsführenden Ministerpräsidenten Najib Mikati vor einer der gefährlichsten Phasen seiner Geschichte. Mikati äußerte sich bei einem Treffen mit UN-Organisationen und Botschaftern von Geberländern.

UNIFIL VERWEIST AUF UN-RESOLUTION

Der Konflikt droht sich immer weiter auszuweiten. Die israelische Luftwaffe flog auch Angriffe auf Ziele in Syrien. Israelische Sicherheitskräfte gehen zudem gegen Palästinenser im Westjordanland vor. Die Huthi im Jemen wiederum unterstützen die radikal-islamischen Gruppen gegen Israel und greifen unter anderem Handelsschiffe an der Küste an. Nach ihren Angaben attackierten sie zudem mit Drohnen Tel Aviv und Eilat. Alle drei Gruppen - Hamas, Hisbollah und Huthi - werden vom Iran unterstützt.

Die UN-Beobachtermission im Libanon (Unifil) teilte mit, dass die Blauhelme trotz der jüngsten Entwicklungen im Libanon in Stellung blieben. Sie sei vom israelischen Militär über dessen beabsichtigte Bodenoffensive informiert worden. Unifil verwies darauf, dass ein Vorstoß in den Libanon "eine Verletzung der libanesischen Souveränität und territorialen Integrität sowie einen Verstoß gegen die Resolution 1701 (des UN-Sicherheitsrats)" darstelle. Der Beschluss 1701 wurde wegen des einmonatigen Kriegs zwischen Israel und der Hisbollah im Jahr 2006 verabschiedet und hatte unter anderem einen vollständigen Rückzug aller israelischen Truppen sowie der Hisbollah-Kämpfer aus dem Süden des Libanon gefordert.

(Bericht von Maya Gebeily, James Mackenzie, Timour Azhari; geschrieben von Andreas Rinke und Alexander Ratz; redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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