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08.11.2024 /17:45:04
KORRIGIERT-HINTERGRUND-Balanceakt für Union bei erhoffter Rückkehr zur Macht

(korrigiert in Satz vor letztem Zwischentitel: "Yvonne Magwas", nicht: "Magwaz")

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Stimmung in Union nach Ampel-Bruch überbordend



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Aber Kanzler kontrolliert Zeitplan für Neuwahlen



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Union will mit kurzem Wahlkampf Fehler vermeiden



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Regierung wird Union und FDP mit Gesetzesvorhaben "testen"







- von Andreas Rinke -

Berlin, 08. Nov (Reuters) - In den beiden Sondersitzungen der Unionsbundestagsfraktion seit dem Rauswurf von Finanzminister Christian Lindner war die Stimmung nach Teilnehmerangaben ausgesprochen gelöst. Kein Wunder: Wegen des Ampel-Zerfalls sehen sich CDU und CSU ein Stück näher an der Macht. Immerhin sieht das ZDF-Politbarometer die Union bei 33 Prozent - während die SPD bei 16 Prozent und die Grünen bei 12 Prozent liegen.

Deshalb wächst die Ungeduld: Hatte die Union ursprünglich selbst Neuwahlen im März vorgeschlagen, fordert sie diese nun für Januar. Am Mittwoch wollen sowohl CDU-Chef Friedrich Merz als auch sein CSU-Kollege Markus Söder auf eine sofortige Vertrauensfrage von Kanzler Olaf Scholz bestehen. Doch so einfach ist die Lage auch für die Union nicht: Auf dem aus CDU-Sicht sicheren Weg ins Kanzleramt gibt es Hürden.

SCHOLZ SITZT DRUCK AUS

Das erste Problem ist, dass die Union keine Kontrolle über das Verfahren hat. Scholz kann im politischen System selbst entscheiden, wann er die Vertrauensfrage stellt. Und er hat zwar bei der Entlassung Lindners sofort seine Bereitschaft zu schnellen Neuwahlen erklärt - aber den 15. Januar als anvisiertes Datum für die Vertrauensfrage genannt. Dann käme es zu Neuwahlen spätestens Ende März. Bisher deutet nichts darauf hin, dass der Druck durch Union und Umfragen Scholz zu einem Umdenken bringen könnte.

Die Union könnte zwar ein konstruktives Misstrauensvotum stellen und damit die Initiative ergreifen. Aber dies gilt als riskant. Denn dann könnte sie in die Lage geraten, dass sie zusammen mit der AfD stimmt. Dies wird als gefährlich für den Wahlkampf gesehen, weil SPD und Grüne der CDU trotz aller Dementis ohnehin vorwerfen, sie wolle die "Brandmauer" zur AfD aufweichen.

ABSTIMMUNGEN

"Meine Vermutung (...) ist, dass er versuchen möchte, jetzt noch Abstimmungen im Deutschen Bundestag durchzuführen, bei denen er uns, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in eine Lage bringen will, die er anschließend für den Wahlkampf der SPD ausnutzen kann", sagte CDU-Chef Merz am Freitag zum Festhalten des Kanzlers an dem Termin für die Vertrauensfrage. Das wird in der SPD nicht bestritten. Im Gegenteil: Scholz selbst hatte angekündigt, dass er bis Weihnachten laufende Gesetzesvorhaben mit einer Minderheitsregierung durchsetzen will. Darunter sind einige Projekte, bei denen es FDP und Union schwerfallen dürfte, sie abzulehnen. Merz verwies darauf, dass die Union bisher bei der Hälfte der Gesetzesvorhaben der Ampel mitgestimmt habe.

Die SPD spekuliert darauf, dass der CDU-Chef seine angedeutete rote Linie für das Verhalten der Union nicht halten kann. Erst sagte er, dass die CDU/CSU-Fraktion die Zustimmung für einzelne Projekte nur dann prüfen werde, wenn Scholz sehr schnell die Vertrauensfrage stelle. Am Freitag klang er wieder anders. Gleichzeitig betont Merz immer wieder die staatstragende Haltung der CDU. Die Wirtschaft wiederum dringt darauf, dass die verabredeten Teile aus dem Wachstumspaket schnell kommen müssten.

Das setzt FDP und Union unter Druck, sich punktuell hinter Scholz einzureihen - was dieser als "Führung" verkaufen könnte.

KURZER ODER LANGER WAHLKAMPF?

Offiziell argumentiert die SPD für den März-Termin, weil viele Parteien mit der Aufstellung für die Wahl noch nicht fertig sind. Das stimmt zwar - vorgezogene Wahlen stellen Parteien tatsächlich vor große logistische Herausforderungen. Aber dies ist nur die halbe Wahrheit. Bei den Sozialdemokraten setzt man hinter den Kulissen darauf, dass man bei einem längeren Wahlkampf durchaus von Merz' Fehlern profitieren kann. In der Union wiederum hängt die Eile genau mit derselben Überlegung zusammen. Je hitziger die Auseinandersetzung wird, desto mehr werden Worte abgewogen. Fettnäpfchen sind ebenso gefährlich wie das Lachen am falschen Ort - was Unionskanzlerkandidat Armin Laschet im Wahlkampf 2021 nach einem Besuch im damaligen Hochwassergebiet zu spüren bekam.

FRAUENLÜCKE

Bei der Kandidatenaufstellung der Union zeigt sich, dass Merz' Ankündigung, Frauen stärker fördern zu wollen, nicht unbedingt aufgegangen ist. Zwar sorgen die meisten Landesverbände dafür, dass Frauen auf Landeslisten für die Bundestagswahl stark vertreten sind. Aber das eigentliche Problem liegt - gerade bei der Aussicht auf den Gewinn vieler Wahlkreise - bei den Direktkandidaten. Es zeichnet sich ab, dass dort der Frauenanteil erneut weit unterdurchschnittlich sein wird. Dies ist ein eingestandener Schwachpunkt, der erst sichtbar wird, wenn die Aufstellungsverfahren abgeschlossen sind. Zudem ziehen sich prominente CDU-Frauen wie Annette Widmann-Mauz, Nadine Schön oder Yvonne Magwas aus dem Bundestag zurück.

KAMPFESLUSTIGE SPD

Dazu kommt bei aller gelebten Vorfreude auf einen erwarteten Machtwechsel, bei der Merz am Freitag sogar über eine mögliche Berufung Lindners als Finanzminister einer schwarz-gelben Regierung sprach, das Bewusstsein, dass selbst eine angeschlagene SPD traditionell als "kampagnenfähig" gilt. "Zu sicher sollten wir uns nicht sein", warnt ein führender Christdemokrat. Warnend wird darauf verwiesen, dass etwa Gerhard Schröder 2005 einen Aufholwahlkampf hinlegte - und die SPD mit Scholz 2021 in den letzten Wochen vor der Wahl an eine lange Zeit in Umfragen deutlich dominierenden Union vorbeizog.

(Mitarbeit: Holger Hansen, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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