Nachricht


24.09.2024 /18:28:56
FOKUS 2-Nervosität in der Ampel - "FDP ist auf Suche nach Notausgang"

*

Mützenich: Es gibt kein Ausstiegsszenario

*

SPD-Fraktion setzt Scholz unter Druck bei Industriepolitik

*

Nervosität in Ampel nach Landtasgwahlen

*

Wird Haushaltsverhandlung "Sollbruchstelle"?
 
(Neu: Scholz in Fraktion, Dürr)
- von Andreas Rinke
Berlin, 24. Sep - In der Ampel-Koalition ist nach den
Landtagswahlen in Brandenburg die Nervosität gestiegen. "Es gibt
kein Ausstiegsszenario. Wenn es das an anderer Stelle gibt, kann
ich keinen daran hindern. Aber ich will ihn auch nicht
ermutigen", sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Dienstag
auf die Frage nach einem möglichen Ausstieg der FDP. Die SPD
wolle die Koalition fortsetzen. Nach Angaben des
Parlamentarischen Geschäftsführers der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sucht die FDP aber
nach einer Möglichkeit, die Ampel-Koalition mit SPD und Grünen
zu verlassen. "Was wir natürlich wissen, ist, dass die FDP seit
geraumer Zeit auf der Suche nach dem Notausgang ist", sagte der
CDU-Politiker. Dies sei aber nicht einfach, weil "der Schuss
auch ganz leicht nach hinten losgehen kann".

Während die Grünen-Co-Fraktionschef Britta Haßelmann am Dienstag darauf verwies, dass ihre Partei noch etliche Projekte durchsetzen wolle, deuteten sich auf zwei Feldern neue Debatte zwischen den Ampel-Partnern an: In der SPD-Fraktionssitzung wurde Kanzler Olaf Scholz aufgefordert, sich stärker für eine sichtbare Industriepolitik mit ganz konkreten Projekten einzusetzen. Scholz kündigte einen "Pakt für Industriearbeitsplätze" an, machte aber keine konkreten Zusagen. Die SPD-Fraktion fordert seit längerem einen subventionierten Industriestrompreis und war unzufrieden, dass Scholz diesen in der Ampel nicht durchsetzen konnte. SPD-Fraktionschef Mützenich wiederum kündigte an, in den parlamentarischen Beratungen über den Etat 2025 wieder Ausnahmen von der Schuldenbremse auf die Tagesordnung zu setzen. Auch dies dürfte die Spannungen mit der FDP anheizen, die dies ablehnt.

Hintergrund der Äußerungen ist, dass die Stimmung in der Ampel nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland weiter gesunken ist, in denen die FDP nur noch sehr schwache Werte bekam und auch die Grünen aus zwei Landtagen flogen. Sowohl FDP als auch SPD forderten einen "Herbst der Entscheidung" - allerdings mit unterschiedlichen Projekten. Grünen-Chef Omid Nouripour, der schon zuvor nur noch von einer "Übergangsregierung" gesprochen hatten, hatte am Montag gesagt, er erwarte nicht mehr, dass SPD, Grüne und FDP ihre Streitigkeiten beilegen könnten.

KONFLIKT ÜBER HAUSHALT

CDU-Politiker Frei nannte den Abschluss der Haushaltsverhandlungen über den Bundesetat 2025 als "Sollbruchstelle" für die Ampel. Falls der Koalition die Verabschiedung gelinge, werde sie wahrscheinlich bis zum regulären Termin der Bundestagswahl am 28. September 2025 durchhalten. Sollte die FDP dennoch die Regierung verlassen, rechnet Frei damit, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) dann eine Minderheitsregierung weiterführt und es nicht zu Neuwahlen kommen würde. Eine Minderheitsregierung sei nach Verabschiedung des Haushalts für ein Jahr ohne Probleme möglich. Die Union wolle ihr Wahlprogramm im Januar verabschieden, könne dies aber jederzeit vorziehen.

In den vergangenen Tagen hatte CDU-Chef Friedrich Merz mehrfach betont, dass er für die FDP nur eine Überlebenschance sieht, wenn sie die Ampel vorzeitig verlässt. In Umfragen sind die Liberalen unter die für den Wiedereinzug in den Bundestag nötigen fünf Prozent gerutscht. FDP-Chef Christian Lindner gibt sich überzeugt, dass die Werte vor einer Bundestagswahl wieder ansteigen werden.

SPD-Fraktionschef Mützenich sagte auf die Frage nach der FDP: "Ja, meine Güte, also, es hilft doch niemandem, wenn man immer radikaler in der Sprache wird." Wichtig sei, keinen radikalen Marktliberalismus zu pflegen, sondern vielleicht auch daran erinnern, dass auch der Liberalismus einmal soziale Aspekte in seiner Programmatik gehabt habe. "Ich hätte mir schon gewünscht, wenn mit dieser Koalition vielleicht auch dieser Gedanke etwas stärker zurückgekommen wäre", sagte er.

....UND ÜBER INVESTITIONEN

Auch bei den Investitionen zeigten sich grundsätzliche Differenzen. So sprachen sich zwar SPD-Chef Lars Klingbeil und FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr für mehr Investitionen aus - aber Klingbeil denkt dabei an staatliche Investitionen, der FDP-Politiker an private. "Deutschland braucht vor allem eine deutliche Stärkung der privaten Investitionen, um wieder kräftig zu wachsen", sagte Dürr der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. "Dafür müssen sich die Rahmenbedingungen ändern."

Klingbeil hatte zuvor erneut gefordert, den Industriestrompreis mit staatlichem Geld abzusenken und die Netze mit öffentlichen Mitteln auszubauen. Die SPD-Fraktion will zudem staatliche Hilfe zur Rettung angeschlagener Industrieunternehmen.

(Mitarbeit: Alexander Ratz Redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.