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08.07.2025 /18:04:43
BGH prüft Vergleich im Dieselskandal - Teilerfolg für Kläger möglich

Karlsruhe, 08. Jul (Reuters) - Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe signalisiert Volkswagen <VOWG.DE>-Aktionären einen Teilerfolg im Streit um einen Vergleich im Zusammenhang mit der Schadensregulierung im sogenannten Diesel-Skandal. Diesen hatte das Unternehmen 2021 mit dem früheren Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn und dem Audi-Chef Rupert Stadler geschlossen. Die Aktionärs-Hauptversammlung sei über die Vermögensverhältnisse der Vorstandsmitglieder nur lückenhaft informiert worden, bevor sie dem Vergleich zustimmte, erklärte der zuständige II. Zivilsenat des BGH am Dienstag in der Revisionsverhandlung. Der Beschluss könne deshalb womöglich anfechtbar sein. Zuvor hatten verschiedene Kapitalanleger-Schutzgemeinschaften erfolglos gegen die Vereinbarung geklagt. Das Urteil soll am 30. September in Karlsruhe verkündet werden.

Nach dem Aktiengesetz sind Vorstände bei Pflichtverletzungen grundsätzlich schadenersatzpflichtig. Ein Untersuchungsbericht des Diesel-Skandals kam zu dem Ergebnis, dass Winterkorn und Stadler fahrlässig ihre Pflichten verletzt hatten, weil sie nicht unverzüglich Maßnahmen zur Aufklärung ergriffen, als es Anhaltspunkte für den Einsatz unzulässiger Software in Dieselmotoren gab. Die Software sorgte dafür, dass die Abgaswerte nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden, nicht jedoch im Straßenverkehr. Allerdings erlaubt das Aktiengesetz, dass die Gesellschaft auf Forderungen verzichten oder einen Vergleich schließen kann.

Zu solch einem Haftungsvergleich kam es 2021. Er sah einen Eigenbetrag von Winterkorn in Höhe von 11,2 Millionen Euro vor, für Stadler von 4,1 Millionen. Der Versicherer übernahm Zahlungen in Höhe von 270 Millionen Euro. Im Gegenzug stellte VW die Beteiligten von weiteren Ansprüchen frei. Die Hauptversammlung der Aktionäre billigte den Haftungsvergleich im Juli 2021 mit 99 Prozent der Stimmen. Die Kapitalanlageschützer, selbst Aktionäre des VW-Konzerns, erklärten allerdings ihren Widerspruch.

Zum einen könne ein Haftungsvergleich laut Aktiengesetz erst drei Jahre nach Entstehen des Anspruchs abgeschlossen werden, diese Sperrfrist sei im Juli 2021 noch nicht abgelaufen gewesen. Der Zustimmung der Hauptversammlung zum Haftungsvergleich war deshalb nach Ansicht der Kläger nichtig. Zum anderen sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Winterkorn und Stadler nicht ermittelt worden, was aber Grundlage des Vergleichsabschlusses sei. Deshalb sei der Beschluss der Hauptversammlung anfechtbar.

Der BGH-Vorsitzende Manfred Born sagte in seiner Einführung, dass die Sperrfrist von drei Jahren nach vorläufiger Einschätzung des Senats erfüllt war. Die Frist habe zu laufen begonnen, als der Anspruch entstand. Allerdings habe der Senat Zweifel, ob die Tagesordnung für die Hauptversammlung ausreichend Informationen für die Aktionäre enthalten hatte. Solle eine Hauptversammlung über einen Vertrag beschließen, so müsse laut Paragraf 124 des Aktiengesetzes dessen wesentlicher Inhalt in der Tagesordnung bekannt gemacht werden. Das solle die Vorbereitung der Aktionäre und ihr Fragerecht sichern. Da es auch um den Deckungsvergleich, also den Eigenanteil der Vorstandsmitglieder einerseits und den Anteil der Versicherung andererseits gegangen sei, hätten wohl auch die Vermögensverhältnisse der Vergleichspartner, also von Winterkorn und Stadler, ermittelt werden müssen. Hier habe es möglicherweise Lücken gegeben.

(Bericht von Ursula Knapp, redigiert von Christina Amann und Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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