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11.09.2024 /15:13:42
SPOTANALYSE-Ökonomen zum deutlichen Rückgang der US-Inflation

Washington, 11. Sep (Reuters) - Der Preisauftrieb in den USA hat im August spürbar nachgelassen. Die Teuerungsrate sank auf 2,5 Prozent, nach 2,9 Prozent im Juli, wie das Arbeitsministerium am Mittwoch in Washington mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang auf 2,6 Prozent gerechnet. Von Juli auf August stiegen die Preise wie von Experten erwartet um 0,2 Prozent.

Analysten sagten dazu in ersten Reaktionen:

CHRISTOPH BALZ UND BERND WEIDENSTEINER, COMMERZBANK:

"In den USA hat der Inflationsdruck im August überraschend wieder angezogen. Die für den Trend wichtigen Verbraucherpreise ohne Energie und Nahrungsmittel (Kernrate) legten um 0,3 Prozent gegenüber Juli zu. Dies lag vor allem an den Mieten. Die Daten stützen unsere Prognose, dass die US-Notenbank die Zinsen nächste Woche 'nur' um 25 Basispunkte senkt und nicht wie vielfach erwartet um 50 Basispunkte. Für einen kleinen Schritt spricht auch der Umstand, dass das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal noch heutiger Datenlage bei etwa zwei Prozent liegen dürfte. Der Arbeitsmarkt hat sich zwar abgeschwächt, zeigt aber noch keine Anzeichen einer Krise."

DIRK CHLENCH, LBBW:

"Wieder einmal spuckt uns die Preisentwicklung für das Wohnen in die Suppe. Die Preise für das Wohnen zogen im August 2024 mit einer Veränderungsrate von 0,5 Prozent gegenüber dem Vormonat an und trugen damit maßgeblich zum Anstieg des US-Konsumentenpreisindex bei. Die Super-Kernrate ? die ohne die Preise für Nahrungsmittel, Energie und Wohnen berechnete Rate ? belief sich im August 2024 auf lediglich 0,1 Prozent, nach einer Stagnation in den beiden Vormonaten. Es macht die Aufgabe für die US-Notenbank nicht einfacher, dass die Inflation nicht verschwunden ist, aber hauptsächlich von einer Preisgruppe getragen wird. Es kommt erschwerend hinzu, dass gerade der Auftrieb der Preise für das Wohnen durch Leitzinssenkungen besonders stimuliert wird. Gleichwohl sollte eine Leitzinssenkung auf der Gremiensitzung am 18. September nicht infrage stehen. Wahrscheinlicher ist aber nun eher eine Senkung um 25 Basispunkte, anstatt 50 Basispunkte."

TOBIAS BASSE, NORDLB:

"Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der US-Konsumentenpreise machen den ohnehin schon ziemlich schwierigen Job von Fed-Chef Jerome Powell sicherlich nicht einfacher. Das weitere deutliche Anziehen der Lebenshaltungskosten im Segment Wohnraum ist ohne jeden Zweifel ein gewisses Problem für die Notenbanker in Washington. Allerdings werden die momentanen Entwicklungen an der makroökomischen Preisfront die Zinswende im September nicht mehr verhindern können. Auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dürfte 2024 also noch zu einem Jahr der geldpolitischen Tauben werden. Die Fed sollte nach den aktuellen US-Inflationsdaten aber zu einer recht ausgeprägten Vorsicht bei der Anpassung seiner Zinspolitik neigen. Die Wirtschaftsentwicklung in den USA dürfte eine solche Zurückhaltung wahrscheinlich erlauben. Die jüngsten Arbeitsmarktzahlen haben sich zumindest nicht eindeutig schwach präsentiert und das Wirtschaftswachstum konnte zuletzt sogar wieder einmal positiv überraschen. Dennoch ist die Geldpolitik der Fed momentan wohl zu restriktiv ausgerichtet."

THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

"Die Fed kann in der kommenden Woche die Zinsen ruhigen Gewissens die Zinsen senken. Das Leitzinsniveau ist gemessen an der aktuellen Inflation, selbst unter Einschluss der Kerninflationsrate, sehr hoch. Das gegenwärtige Zinsniveau von über fünf Prozent birgt das Risiko, dass, wenn es noch längere Zeit auf diesem hohen Niveau verbleibt, deutliche realwirtschaftliche Bremsspuren hinterlässt. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn US-Unternehmen in den kommenden Jahren für ihre Kredite eine deutlich kostspieligere Anschlussfinanzierung eingehen müssten.

Allerdings macht andererseits die noch immer hohe Kerninflationsrate ein vorsichtiges Vorgehen notwendig. Gerade dass die Kerninflationsrate im direkten Monatsvergleich wieder etwas stärker zulegt, dürfe der Fed nicht gefallen. Gleichzeitig schlägt sich die US-Wirtschaft noch immer wacker. Die Fed tut also gut daran, den Leitzins schrittweise zurückzunehmen."

RALF UMLAUF, HELABA:

"Die Preissteigerung im Monatsvergleich liegt insgesamt im Rahmen der Erwartungen. Dennoch sinkt die Jahresrate dank eines Basiseffektes spürbar. Ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise ergab sich aber ein unerwartet kräftiges Plus gegenüber Juli und die Jahresrate stagnierte hier oberhalb von drei Prozent. Die Zinssenkungserwartungen dürften daher gedämpft werden, bleiben aber insgesamt präsent. Eine Reduktion des Leitzinsbandes um 25 Basispunkte erscheint uns nach wie vor als das wahrscheinlichste Szenario."

BASTIAN HEPPERLE, HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:

"Der Inflationsschreck ist deutlich verblasst, das Inflationsthema ist aber besonders mit Blick auf die Kernrate nicht erledigt. Arbeitsmarkt und Inflation zeigen, dass eine streng restriktive Geldpolitik nicht mehr notwendig ist. Die Fed kann ihren Zinssenkungskurs in der nächsten Wochen starten. Einen großen Zinsschritt verlangt die Datenlage allerdings nicht. Es liegt nun in der Hand der Fed, ob sie sich für einen langsamen oder einen schnellen Abwärtspfad entscheidet."



(Bericht von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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