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30.09.2024 /14:18:31
SPOTANALYSE-Ökonomen zum Rückgang der deutschen Inflation auf 1,6 Prozent

Berlin, 30. Sep (Reuters) - Die Inflationsrate in Deutschland ist im September erneut gefallen. Die Verbraucherpreise erhöhten sich nur noch um durchschnittlich 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im August lag die Teuerungsrate noch bei 1,9 Prozent. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten für September einen Rückgang auf 1,7 Prozent vorausgesagt.

Analysten sagten dazu in ersten Reaktionen:

MICHAEL HEISE, CHEFÖKONOM HQ TRUST:

"Das deutliche Absinken der Inflation auf 1,6 Prozent ist eine gute Nachricht für Verbraucher und die völlig kraftlose deutsche Konjunktur. Wie im Vormonat August waren es vor allem rückläufige Energiepreise, die zur Dämpfung der Inflation beigetragen haben: Bei rückläufigen Energiepreisen muss weniger Einkommen für Importe aufgewendet werden.

"Der Blick der Europäischen Zentralbank wird sich jedoch weniger auf die Energiepreise richten. Sie hat auf die Energiepreise wenig Einfluss und es ist kaum auszumachen, wo die Reise an den Öl- und Gasmärkten angesichts immer größerer geopolitischer Spannungen hingeht. Für die Zentralbank stehen binnenwirtschaftliche Preisentwicklungen im Vordergrund, und die sind auch in Deutschland weit über zwei Prozent. Man wird von der Zentralbank in den kommenden Monaten Zinssenkungen erwarten dürfen, aber große Schritte und starke Ankündigungen wären deplatziert."

SEBASTIAN DULLIEN, GEWERKSCHAFTSNAHES IMK-INSTITUT:

"Die Inflation ist derzeit klar keine relevante Gefahr mehr für die deutsche Wirtschaft. In den kommenden Monaten sind vorübergehende, kleine Anstiege bei der Inflationsrate möglich, vor allem, weil Kraftstoffpreise derzeit stark schwanken. Richtung 2025 und im kommenden Jahr dürfte dann die Inflationsrate um die Marke von 2,0 Prozent schwanken. Für das laufende Jahr rechnen wir im Durchschnitt mit einer Inflationsrate von 2,3 Prozent.

Jetzt zeigt sich erneut, dass die Europäische Zentralbank bisher mit ihrem Lockerungskurs zu langsam und zu zurückhaltend war. Die Teuerung ist absehbar kein drängendes Problem mehr und die Konjunktur kommt ? auch wegen der hohen Zinsen ? nicht in Gang. Es ist an der Zeit, übertriebene Vorsicht in der Geldpolitik etwas zurückzunehmen und die Finanzierungsbedingungen wieder zu lockern. Die EZB hätte schon bei ihrer letzten Sitzung ihre Zinsen um 50 Basispunkte senken sollen, hat aber nur um 25 Punkte gelockert. Sie sollte nun bis zum Jahresende zügig weitere Zinssenkungen beschließen, um ihr übertriebenes Zögern der vergangenen Monate auszugleichen."

JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK:

"Anders als in Frankreich und Spanien ist die deutsche Inflation im September kaum niedriger ausgefallen als erwartet. Die Teuerungsrate ging hauptsächlich wegen der gefallenen Energiepreise zurück. Ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel liegt die Inflation noch immer zwischen zweieinhalb und drei Prozent ? was mit Blick auf die stark steigenden Löhne nicht überrascht. Die EZB sollte sich gut überlegen, ob sie wirklich den Terminmärkten folgt, die bereits für Oktober die nächste EZB-Zinssenkung erwarten."

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:

"Die Inflationsrate plumpst weiter in den Wellnessbereich. Von hier aus zeichnet sich eine längere Phase mit Preisstabilität ab. Wegen der schlaffen Wirtschaftslage werden Preiserhöhungen immer weniger durchsetzbar sein. Der gesunkene Rohölpreis und der festere Euro steigern zudem den Wellnesskomfort. Inflationsseitig dominiert vorerst das Risiko eines anhaltenden Unterschießens des 2-Prozent-Preisziels. Die deutsche Inflationsvorgabe öffnet die Tür etwas für eine EZB-Zinssenkung im Oktober."

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW-INSTITUT MANNHEIM:

"Je schlechter die Perspektive für die deutsche Konjunktur, desto besser die Perspektive für die Rückkehr zur Preisstabilität. Bislang waren knappe Arbeitskräfte ein zentrales Argument der Inflationspessimisten. Der Aufwärtsdruck auf die Löhne, so die bisherige Sorge, würde ein Absinken der Inflationsrate auf unter zwei Prozent verhindern. Das sieht mit dem nun deutlich sich abkühlenden Arbeitsmarkt anders aus. Die Rezession der Industrie und drohende Entlassungswellen setzen auch die Gewerkschaften unter Druck, sich bei Lohnforderungen wieder in mehr Bescheidenheit zu üben. All das könnte den Druck aus den Inflationsprozessen nehmen. Leider passiert damit aber genau das, was Zentralbanken eigentlich immer vermeiden wollen: die Inflation ist nur durch eine harte Landung mit einer deutlichen Verschlechterung am Arbeitsmarkt besiegbar."

(Bericht von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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