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Bücher können politischen Sprengstoff im Wahlkampf bedeuten
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Grünen-Kanzlerkandidat präsentiert neues Buch
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Brisanz bei Buchvorstellungen: Lang und Söder äußern sich zu Merz
- von Andreas Rinke -
Berlin, 13. Jan (Reuters) - Angela Merkel hat es getan, Olaf Scholz auch, ebenso wie Annalena Baerbock. In dieser Woche versucht es Robert Habeck: Es gibt eine lange Tradition in Deutschland, dass sich Politiker vor Wahlen nicht nur mit Reden, sondern auch Büchern präsentieren. Im Land der Dichter und Denker wollen sie beweisen, dass sie über den Tag hinausdenken. "Den Bach rauf. Eine Kursbestimmung" nennt der Grünen-Kanzlerkandidat sein Werk, das zum Start der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs erscheint.
Es werden unter anderem auch zwei Bücher über den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz veröffentlicht. Sara Sievert, Chefreporterin bei T-Online, zeichnet in "Der Unvermeidbare" nach, wie Merz Kanzlerkandidat wurde. CDU-Kenner Volker Resing legt in "Friedrich Merz. Sein Weg zur Macht" eine Biographie vor. Der Hintergedanke für den Zeitpunkt der Veröffentlichung: Es könnten Bücher über den nächsten Kanzler sein, und sie könnten deshalb auf besonderes Interesse stoßen.
Merkel wollte 2005 als Kanzlerkandidatin mit dem Interview-Band "Mein Weg" Interesse für ihre ungewöhnliche Biografie wecken wollen. Auch Scholz legte 2021 vor der Bundestagswahl mit "Hoffnungsland. Eine neue deutsche Wirklichkeit" ein Buch vor, in dem er seine Überzeugungen beschrieb. Kämpferisch klingende Bücher sollen Wählerinnen und Wählern Tatkraft demonstrieren. Bücher sind ein Mittel, Leser direkt und ohne Umwege über Medien mit eigenen Ideen zu konfrontieren und sich auch persönlicher zu präsentieren. "Ich nenne Heimat das Land, in dem Probleme mich etwas angehen", schreibt etwa Habeck in seinem neuen Buch.
Dabei ist die Strategie, mit Büchern punkten zu wollen, durchaus heikel. Diese Erfahrung musste die damalige Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock 2021 mit ihrem Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" machen. Denn ihr zunächst erfolgreicher Wahlkampf geriet dann auch durch Plagiatsvorwürfe ins Trudeln.
Habeck, der in der Zeitung "Mannheimer Morgen" gerade eine leichte Rechtschreibschwäche in der Kindheit einräumte, macht ganz andere Erfahrungen mit seinen Büchern. Obwohl der Grünen-Politiker neben Romanen bereits politische Sachbücher veröffentlicht hat, wurde der Wirtschaftsminister am Sonntagabend von AfD-Chefin Alice Weidel im ZDF erneut als "Kinderbuchautor" bezeichnet. Auch CDU-Chef Merz sagte schon vor Wochen: "Habeck ist Kinderbuchautor. Okay. Ich bin Jurist. Hoffentlich auch okay. Aber uns verbindet eines: Wir haben beide von Technologie keine Ahnung." Umso größer dürfte das Bedürfnis des Grünen-Politikers sein, sich jetzt als weitblickend zu präsentieren.
Manchmal ist bei Büchern der Zeitpunkt ein Problem - vor allem weil die vorgezogene Bundestagswahl Planungen von Autoren über den Haufen geworfen hat. So sind weitere Bücher über Spitzenpolitiker in Planung, die nun erst nach der Wahl erscheinen können. Merkel wiederum hatte für die Veröffentlichung ihrer Memoiren mit Absicht einen Termin rund ein Jahr vor dem regulären Termin der Bundestagswahl geplant - um gerade nicht in den Wahlkampf zu geraten. Weil die Ampel-Koalition plötzlich zerbrach und Scholz die vorzeitige Wahl einleitete, wurden im Dezember die knappen - und letztlich harmlosen - Passagen über den von ihr 2002 verdrängten Merz an der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besonders aufmerksam gelesen.
Übrigens kann auch bereits die Vorstellung der Bücher Nachrichten produzieren: Sieverts Merz-Biografie wird von der früheren Grünen-Chefin Ricarda Lang vorgestellt, weshalb Beobachter auf mögliche Hinweise auf eine mögliche schwarz-grüne Koalition lauern werden. Resings Merz-Biografie stellt am Freitag ausgerechnet ein früherer Konkurrent vor: CSU-Chef Markus Söder.
(Redigiert von Thomas Seythal)