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07.11.2024 /07:57:02
SPOTANALYSE-Ökonomen zum Aus für die Ampel-Regierung

Berlin, 07. Nov (Reuters) - Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist nach knapp drei Jahren zerbrochen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entließ Finanzminister Christian Lindner am Mittwochabend und verband dies mit schweren Vorwürfen gegen den FDP-Chef: "Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen". Der Kanzler will nun am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen und damit vorgezogene Neuwahlen herbeiführen. Diese könnten nach seinen Worten spätestens bis Ende März stattfinden. Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:

CARSTEN BRZESKI, ING-CHEFVOLKSWIRT:
 
"Angesichts der nicht enden wollenden Spannungen
innerhalb der Regierung und der offensichtlichen Uneinigkeit
darüber, wie die deutsche Wirtschaft aus ihrem derzeitigen
Zustand der Stagnation und Strukturschwäche herausgeführt werden
kann, könnte der Zusammenbruch der Regierung auch ein Segen
sein. Neuwahlen und eine neue Regierung könnten und sollten die
derzeitige Lähmung eines ganzen Landes beenden sowie neue und
klare politische Leitlinien und Sicherheiten bieten."
CYRUS DE LA RUBIA, CHEFVOLKSWIRT HAMBURG COMMERCIAL BANK:

"Das ist eine gute Nachricht für Deutschland. Nur mit vorgezogenen Neuwahlen lässt sich offensichtlich der gordische Knoten, in den sich diese Regierung verwickelt hat, durchschlagen. Eine neue Regierung kann die neuen Koordinaten, die sich durch die Wahlen in den USA ergeben haben, möglicherweise besser berücksichtigen als eine mit Streit und Animositäten belastete Ampel-Koalition. Ich bin zuversichtlich, dass eine neue Regierung - in welcher Form auch immer - die Empfehlungen der Wirtschaft aufgreift, eine wahre Wirtschaftswende durchzuführen, wozu ein massiver Ausbau der öffentlichen Investitionen gehört. Das impliziert entweder eine Reform der Schuldenbremse, ihr begründetes Aussetzen oder ein neues Sondervermögen. Auch viele der angebotsorientierten Vorschläge des scheidenden Finanzministers Lindner dürften dort Eingang finden. Aber eine Wirtschaftswende anzustreben, ohne die eklatante Lücke in unserem öffentlichen Kapitalstock zu finanzieren, wäre illusorisch."

MARCEL FRATZSCHER, DIW-PRÄSIDENT:

"Es ist konsequent und richtig, dass die Bundesregierung nun ihre Zusammenarbeit beendet. Die Ampel hatte mit dem Koalitionsvertrag die richtigen Prioritäten gesetzt und hatte alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Regierungsarbeit. Die Ampel hat wichtige Erfolge erzielt, für die sie wenig Anerkennung erhalten hat. Sie konnte eine tiefere Wirtschaftskrise als Folge des Ukraine Kriegs vermeiden, sie hat den Ausbau erneuerbarer Energien und den Klima- und Umweltschutz deutlich beschleunigt, wichtige Reformen für eine offene Gesellschaft umgesetzt und angefangen Bürokratie abzubauen.

Das Scheitern der Bundesregierung ist auf eine Kombination von unglücklichen Umständen und Unvermögen zurückzuführen. Der Krieg in der Ukraine hat eine Veränderung der Prioritäten und einen radikalen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik erfordert. Dazu war diese Bundesregierung nicht fähig und nicht bereit. Das größte Versagen ist, dass einzelne Minister und Parteien nicht mehr zum Wohl des Volkes und im Interesse des Landes agiert haben. Dies hat wichtige Reformen verhindert, viel Vertrauen in Wirtschaft und Gesellschaft zerstört und mit zur Schwächung der Demokratie und Stärkung populistischer Kräfte in Deutschland beigetragen."

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

"Neuwahlen sind in Anbetracht der grundlegenden Differenzen unter den Koalitionären eine gute Option für das wirtschaftlich angeschlagene Deutschland. Gerade in Anbetracht des Machtwechsels im Weißen Haus ist es von entscheidender Bedeutung, dass Deutschland mit einer stabilen Regierung in Washington aufwartet."

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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