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26.09.2024 /10:27:10
SPOTANALYSE-Expertenstimmen zur geldpolitischen Lagebeurteilung der SNB

(neu: ING, Pictet, J.Safra Sarasin)

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Geldpolitische Lagebeurteilung der SNB im Wortlaut
 
Zürich/Berlin, 26. Sep (Reuters) - Die Schweizerische
Nationalbank (SNB) lockert ihre Geldpolitik weiter und senkt
ihren Leitsatz zum dritten Mal in Folge. Der SNB-Leitzins werde
um 0,25 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent gesenkt, teilte die
Notenbank am Donnerstag mit. Zudem sei die Nationalbank
weiterhin bereit, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu sein.

Von Reuters im Vorfeld der vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung der SNB befragte Ökonomen hatte überwiegend eine erneute Senkung des Schlüsselzinses um 0,25 Prozentpunkte prognostiziert.

CHARLOTTE DE MONTPELLIER, ING

"Diese Zinssenkung um 25 Basispunkte ist die dovishste, die man sich wünschen kann. Die SNB macht nicht nur sehr deutlich, dass weitere Zinssenkungen notwendig sein könnten, sondern sie hat auch ihre Inflationsprognosen sehr stark nach unten korrigiert, und zwar viel stärker als erwartet. Mit einer erwarteten durchschnittlichen Inflation von 0,6 Prozent im Jahr 2025 und 0,7 Prozent im Jahr 2027 scheint die SNB ein klares Signal an die Märkte senden zu wollen, dass weitere Zinssenkungen bevorstehen, um den Schweizer Franken zu schwächen. Ich denke, dass im Dezember eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte fällig ist, und möglicherweise eine weitere im Jahr 2025, aber ich glaube nicht, dass wir in den kommenden Monaten viele weitere Zinssenkungen in der Schweiz erwarten sollten."

NADIA GHARBI, PICTET WEALTH MANAGEMENT

"Angesichts der Inflationsprognosen wird die SNB ihren Leitzins im Dezember wahrscheinlich erneut senken. Die SNB hat eine Zinssenkung beschlossen, weil der Inflationsdruck deutlich nachgelassen hat. Wir erwarten nicht, dass Herr Martin Schlegel den Kurs von Thomas Jordan ändern wird. Die Reaktionsfunktion der SNB wird wahrscheinlich unverändert bleiben."

KARSTEN JUNIUS, J.SAFRA SARASIN

"Die SNB gab einen dovisheren Ausblick als wir und die Märkte erwartet hatten: Sie signalisierte deutlich die Notwendigkeit weiterer Zinssenkungen, indem sie ihr Inflationsprofil auf nur 0,7 Prozent im Jahr 2026 korrigierte. Sie wies auch deutlich darauf hin, dass sie in Zukunft möglicherweise weitere Zinssenkungen vornehmen muss, um eine unerwünscht niedrige Inflation zu bekämpfen. Dies ist der stärkste Hinweis auf künftige geldpolitische Entscheidungen, den die SNB in den letzten Jahren gegeben hat, und ein Bruch mit früheren Kommunikationsmustern. Wir rechnen weiterhin mit weiteren Zinssenkungen der SNB um 25 Basispunkte im Dezember und März."

PHILIPP BURCKHARDT, LOMBARD ODIER IM:
 
"Ein charakteristischeres Ende der Ära Thomas Jordan bei
der SNBhätte man sich kaum vorstellen können. Einerseits senkte
die SNBheute ein weiteres Mal den Leitzins, und zwar an das
obere Ende des gemäß unserer Einschätzung neutralen Zinssatzes,
also auf das Niveau, das weder restriktiv noch expansiv wirkt.
Zweitens unterstreicht die neue Inflationsprognose die
Einhaltung des Mandats der Preisstabilität. Und zu guter Letzt
steht auch der Erwartung mittelfristig positiven Wachstums wenig
im Weg.
 
Die Übergabe an Martin Schlegel könnte perfekter nicht
scheinen, auch wenn sich die ersten Baustellen schon abzeichnen:
Das Ende der Inflationsprognose tendiert schon deutlich unter 1
Prozent, dem gemäß unserer Einschätzung eigentlichen Zielwert
der SNB. Wir erwarten nun, dass die SNB im Dezember mit
mindestens einem weiteren Zinsschritt nachlegen wird. Vor diesem
Hintergrund helfen sowohl die aktuelle Schwäche der
Exportpartner sowie ein erstarkter Schweizer Franken nicht."
 
THOMAS GITZEL, VP BANK:

"Thomas Jordan verabschiedet sich mit der dritten Zinssenkung in Folge aus dem Amt. Zum Abschied gibt es auch einen kleinen Paukenschlag, denn die SNB wird für ihre Verhältnisse ungewöhnlich deutlich, was den weiteren Zinspfad anbelangt. Während die Zinssenkung erwartet worden war, erstaunt dann doch die verhältnismäßig klare Aussage bzgl. der kommenden Zinssitzungen: In den nächsten Quartalen könnten weitere Zinssenkungen erforderlich werden, heißt es in der Medienmitteilung."

KATJA MÜLLER, LBBW:

"Die dritte Zinssenkung der SNB in Folge galt bereits im Vorfeld als ausgemachte Sache. Ein wichtiger Grund für diesen Schritt war die kräftige Aufwertung des Schweizer Franken seit dem letzten Zinsentscheid im Juni. Die Währungshüter verweisen auf den deutlich gesunkenen Inflationsdruck, der die Aufwertung des Franken widerspiegele. Die bedingten Inflationsprognosen wurden noch einmal deutlich nach unten revidiert und sind 2025 mit 0,5 Prozent fast schon bedrohlich niedrig. Die SNB soll gemäß ihrem Auftrag die Preisstabilität gewährleisten und dabei auch die konjunkturelle Entwicklung berücksichtigen. Der starke Franken lastet auch auf der Schweizer Exportwirtschaft. Die Zinssenkung vergrößert wieder die Zinsdifferenz zum Euroraum und den USA und nimmt so etwas Druck aus dem Kessel."

BRIAN MANDT, LUZERNER KANTONALBANK:

"Besser könnte das Timing gar nicht sein: SNB-Chef Thomas Jordan tritt ab, wenn es am schönsten ist. Für den Chef einer Zentralbank kann das nur der Fall sein, wenn er ein stabiles Preisniveau erreicht und über einen längeren Zeitraum gehalten hat. Genau das hat Thomas Jordan geschafft. Seit Mitte 2023 liegt die Schweizer Teuerungsrate im Zielband der SNB von 0 bis 2 Prozent. Doch das ist nicht alles: Die Wirtschaft wächst solide. Folgerichtig haben der scheidende SNB-Chef und seine Direktoriumskollegen den Leitzins heute auf 1 Prozent gesenkt.

Gleichzeitig haben sie die Inflationsprognosen für 2024, 2025 und 2026 nach unten angepasst. Die SNB hält sich damit die Tür für weitere Zinssenkungen offen und spricht dies auch explizit im Kommentar an. Allerdings sollte sie vor allem ihre geldpolitische Munition trocken halten. Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinssenkung ist zwar gestiegen. Dennoch halten wir kräftigere Senkungen nur dann gerechtfertigt, wenn sich abzeichnet, dass die Inflation kräftiger fällt und sich die Wirtschaft abkühlt."

(Zusammengestellt in den Redaktionen Berlin und Zürich, redigiert von Reinhard Becker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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