Wien/Berlin, 07. Jan (Reuters) -
FPÖ-Chef Herbert Kickl will sich am Dienstagnachmittag zur Regierungskrise in Österreich äußern. Die rechte FPÖ lud für 15.00 Uhr zu einer Presseerklärung von Kickl ein, mit dem Thema "Österreich ehrlich regieren". Der Rechtspopulist hatte am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag erhalten hatte, mit der konservativen ÖVP eine Koalition zu bilden. Kickl (56) könnte der erste rechte Bundeskanzler werden. Denn die FPÖ hat die Parlamentswahl im September gewonnen und mehr Stimmen geholt als die ÖVP. Diese wäre dann - anders als bei gemeinsamen Regierungen in der Vergangenheit - Juniorpartner in einer Blau-Schwarzen Koalition.
Der Bundespräsident hatte Kickl den |
Auftrag zur Regierungsbildung
und Koalitionsverhandlungen erteilt, um einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden. Denn zuvor waren Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ ebenso gescheitert wie Dreier-Gespräche mit den liberalen Neos. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hatte am Samstag seinen Rücktritt angekündigt.
Nehammer hatte angekündigt, dass er sein Amt Ende der Woche abgibt. "Der Rücktritt passiert am Freitag", sagte er am Montag in der vierten und letzten Folge seines Podcasts "Karl, wie geht's" mit dem Titel "Es war mir eine Ehre". "Mein Ziel war es, Herbert Kickl als Bundeskanzler zu vermeiden, weil ich immer der Überzeugung und der Haltung war, dass das durch sein Amtsverständnis, wie er Politik lebt, nicht gut ist für unser Land". Dies sei ihm nicht gelungen in den Koalitionsverhandlungen, sagte Nehammer.
Nehammers Nachfolger als geschäftsführender ÖVP-Chef, Christian Stocker, hatte die Kehrtwende der Konservativen angekündigt. Sie sind nun anders als bisher doch bereit, mit der FPÖ über ein Regierungsbündnis zu verhandeln.
Gemeinsamkeiten gibt es zwischen ÖVP und FPÖ in mehreren Fragen, etwa bei einem strikten Kurs zum Thema Einwanderung und Abschiebungen. Zudem plädieren beide Parteien für eine angebots- und wirtschaftsfreundliche Politik mit Steuersenkungen, müssten aber mit einer schwierigen Haushaltslage zurechtkommen. Kritisch dürfte sein, dass die FPÖ Hilfen für die Ukraine ebenso ablehnt wie Sanktionen gegen Russland. Das Wahlprogramm der FPÖ trug den Titel "Festung Österreich, Festung der Freiheit".
Die FPÖ war seit dem Jahr 2000 bereits dreimal als Juniorpartner in einer ÖVP-geführten Bundesregierung vertreten. Allerdings hielt keines der Bündnisse bis zum Ende. Kickl selbst war von Dezember 2017 bis zum Zusammenbruch der Koalition im Mai 2019 Bundesinnenminister. Bei der Wahl im September legten die Freiheitlichen um fast 13 Prozentpunkte zu und holten mit knapp 29 Prozent die meisten Stimmen. Die ÖVP hingegen verlor gut 11 Prozent und kam nur auf rund 26 Prozent. Die SPÖ erreichte etwas über 21 Prozent.
(Bericht von Francois Murphy und Klaus Lauer, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)