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05.07.2024 /15:42:13
FOKUS 1-Ampel will Förderung von Solar- oder Windenergie komplett umkrempeln

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Ampel will garantierte Abnahmepreise für Strom beenden

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Künftig Zuschüsse für den Bau neuer Anlagen

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Zeitplan noch unklar

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FDP: Ausbau Erneuerbare künftig marktgetrieben
 
(Neu: Habeck, FDP-Vize-Fraktionschef Köhler, SPD, Branche)
- von Markus Wacket
Berlin, 05. Jul (Reuters) - Die Ampel-Regierung will die
Förderung erneuerbarer Energien (EE) grundlegend umorganisieren.
"Es ist das Ziel, den Ausbau neuer EE auf
Investitionskosten-Förderung umzustellen", heißt es im am
Freitag gefassten Beschluss im Zuge der Haushalts-Einigung.
Später müsse es um den förderfreien Ausbau und die völlige
Marktintegration der erneuerbaren Energien gehen. Ab wann genau
die Umstellung greifen soll, geht aus dem Beschlusstext nicht
hervor. Klimaminister Robert Habeck kündigte in einem Brief an
Parteifreunde an: "Jetzt werden wir verschiedene Modelle dafür
erproben." Aus der Branche kam umgehend Kritik an den Plänen,
auch aus der SPD kamen skeptische Töne. Die FDP lobte dagegen
das Projekt.

"Die geplante Umstellung der Erneuerbaren-Energien-Förderung auf Investitionskosten ist eine echte Revolution in der Energiepolitik", sagte FDP-Vizefraktionschef Lukas Köhler der Nachrichtenagentur Reuters. "Statt 20 Jahre lang staatlich abgesicherte Preise zu garantieren, wird künftig nur noch der Bau neuer Anlagen bezuschusst, während die Vergütung des Stroms vollständig über den Markt geregelt wird."

Die Umstellung des Ausbaus auf Investitionsförderung wäre Neuland in Deutschland. Seit Einführung des Erneuerbaren Energie Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 werden Solar- , Wind- oder Biogaskraftwerke nach einem anderen System gefördert: Der Betreiber erhält - meist über 20 Jahre - einen garantierten Abnahmepreis für seinen grünen Strom, den er ins Netz einspeist. Darauf basiert seine Kalkulation für den Bau seiner Anlage. Von Banken erhielt er dabei meist günstige Kredite, da der garantierte Abnahmepreis Sicherheit bietet. Im ersten Halbjahr erzeugte Deutschland auf Basis dieser Anlagen 58 Prozent seines Stromverbrauchs.

ERNEUERBAREN-BRANCHE WARNT VOR EXPERIMENTEN

Die SPD-Energieexpertin Nina Scheer gab sich skeptisch: "Die Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien dürfen in ihrer Garantiefunktion zugunsten von Investitionen und beschleunigtem Ausbau nicht eingeschränkt werden", sagte sie Reuters. "Alles andere wäre sowohl eine Gefährdung der Klima- und Energiewendeziele als auch der Bezahlbarkeit von Energie."

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) erklärte, man habe immer vor einem harten Instrumentenwechsel gewarnt. "Das Experiment eines radikalen Wechsels hin zu Investitionskostenzuschüssen birgt die Gefahr der Marktverunsicherung und Investitionszurückhaltung, die in Zeiten ehrgeiziger Ausbauziele diese massiv gefährden können", sagte BEE-Chefin Simone Peter. "Wir plädieren deshalb für die Beibehaltung der bewährten Fördersystematik."

Besonders die FDP hatte seit langem kritisiert, dass in 20 Jahren die Erneuerbaren ohnehin auf dem Energiemarkt nahezu alleine sein werden, da Kohle- und auch Erdgas im Zuge der für 2045 vereinbarten Klimaneutralität nicht mehr eingesetzt werden dürften. Eine solche Förderung sei daher unsinnig. 2025 kostet die Förderung der bestehenden Anlagen - je nach Höhe des Marktpreises für Strom - geschätzt rund 17 Milliarden Euro.

Die Ampel will demnach auf einmalige Hilfen für den Bau der Anlagen umstellen. Danach müssen die Betreiber dann ihren Strom auf Basis eigener Kalkulationen am Markt verkaufen und tragen damit ein deutlich höheres Risiko. "Dadurch wird der Ausbau der Erneuerbaren marktwirtschaftlich sinnvoll erfolgen und nicht mehr völlig planlos zu horrenden Kosten, weil der Staat die Rendite dauerhaft garantiert", sagte FDP-Vize-Fraktionschef Köhler. "Damit vermeiden wir Fehlanreize und stellen die Erneuerbaren-Förderung vom Kopf auf die Füße." Mit dem Zeitpunkt des Kohleausstiegs, den die Ampel "idealerweise" für 2030 anpeilt, werde die Förderung dann komplett auslaufen.

(Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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