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22.01.2025 /16:58:20
FOKUS 1-Scholz spricht von "Skandal" im Ukraine-Haushaltsstreit

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Kanzler: Klar sagen, wer was zahlt

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SPD-Haushälter: Geld wäre im Budget zu finden

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FDP fordert von Kukies Vorlage für Ausschuss
 
(Neu: Scholz, Pistorius, Einzelheiten)
Paris/Berlin, 22. Jan (Reuters) - Bundeskanzler Olaf
Scholz legt im Regierungsstreit über die Finanzierung
zusätzlicher Ukraine-Militärhilfe nach: Dass vor der Wahl nicht
darüber diskutiert werde, "wer was zahlt, empfinde ich als
Skandal", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch auf dem Weg nach
Paris. Auslöser ist der Streit, ob ein Hilfspaket über drei
Milliarden Euro über eine Kreditlinie oder aus dem
Haushaltsentwurf 2025 bezahlt wird. Scholz und die SPD-Spitze
plädieren für den ersten Weg, für den allerdings eine Aussetzung
der Schuldenbremse notwendig wäre. Grüne, Union und FDP wollen
dagegen einen Beschluss des Haushaltsausschusses für eine
sogenannte überplanmäßige Ausgabe. Auch der SPD-Haushälter
Andreas Schwarz sieht anders als Scholz Spielraum im Etat 2025.

"Wir haben eine Haushaltslücke von aktuell 26 Milliarden Euro. Wenn ich abziehe, dass wir nicht alles ausgeben werden, sagen wir 10 Milliarden, dann fehlen für 2025 immer noch 15 Milliarden Euro", hielt der Kanzler dagegen. Dazu kämen dann die drei Milliarden Euro für die Ukraine-Militärhilfe. Wer unbeantwortet lasse, woher das Geld kommen solle, "belügt die Öffentlichkeit." Es gebe nur drei Möglichkeiten, an die nötigen Finanzmittel zu kommen. Entweder durch Mehreinnahmen aus neuen Krediten - das sei sein Vorschlag mit dem Deutschlandfonds und der vorsichtigen Reform der Schuldenregel - oder mit Steuererhöhungen.

Der SPD-Haushälter Schwarz sagte der "Rheinischen Post", dass er sehr wohl Spielraum im Etat 2025 sehe. "Ich gehe davon aus, dass drei Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von 488 Milliarden Euro zum aktuellen Zeitpunkt zu finden wären, ohne die innere, äußere oder soziale Sicherheit des Landes zu gefährden", sagte er. "Es wäre wünschenswert, trotz der geringen Kompromissbereitschaft im Wahlkampf zu dieser Lösung für die Ukraine zu kommen." Die für eine Lockerung der Schuldenbremse erforderliche Zweidrittelmehrheit werde nicht erreicht. Schwarz betonte, die drei Milliarden Euro würden "einen erheblichen Unterschied machen im ukrainischen Abwehrkampf gegen Russland".

"NICHT AN EINZELNEN, NOCH SO MÄCHTIGEN PERSONEN SCHEITERN"

Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte bei einem Besuch in Litauen, es gebe "keinen neuen Sachstand". Er habe das Drei-Milliarden-Paket vorgelegt, die Finanzierung sei nun Aufgabe anderer Stellen in der Regierung und des Parlaments. "Ich weiß nur, dass die drei Milliarden notwendig wären als Hilfe", betonte der SPD-Politiker. Er sei zwar der Auffassung, dass eine Finanzierung nicht zu Lasten von Sozialausgaben gestemmt werden sollte. "Dazu ist der bessere Weg der über einen Überschreitungsbeschluss", also über einen Kredit. "Aber diese Lösung zu finden, überlasse ich gerne anderen, meine Priorität ist drei Milliarden für die Ukraine."

Die entscheidende Vorlage zur Finanzierung der Hilfe
müsste aus dem SPD-geführten Finanzministerium kommen. Laut FDP
wird sich Minister Jörg Kukies kommenden Mittwoch im
Haushaltsausschuss des Bundestags äußern. FDP-Haushaltsexperte
Otto Fricke sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Kukies werde
im Ausschuss die Lücke in der Etatplanung für 2025 erläutern.
Die Liberalen erwarten dann auch eine Vorlage für das
Drei-Milliarden-Paket. Am Montag war bekanntgeworden, dass aus
dem Etat 2024 noch eine nicht genutzte Rücklage von 10,7
Milliarden Euro übrig ist. Fricke sagte, Entscheidungen zur
Ukraine-Hilfe dürften "nicht an einzelnen, noch so mächtigen
Personen scheitern". Sie müssten im Ausschuss des Bundestags
demokratisch zur Abstimmung gestellt werden. "Dann wird sich
zeigen, ob es eine Mehrheit dafür gibt, dass Deutschland
weiterhin fest an der Seite der Ukraine steht", sagte Fricke.

(Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz, Holger Hansen; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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