Berlin, 17. Sep (Reuters) - Börsenprofis sehen die Aussichten für die deutsche Wirtschaft immer düsterer. Das Barometer für die Erwartungen in den kommenden sechs Monaten sackte im September um 15,6 Punkte auf 3,6 Zähler ab, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner Umfrage unter Analysten und Anlegern mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 17,0 Punkte gerechnet. Sie sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
ALEXANDER KRÜGER, CHEFÖKONOM HAUCK AUFHÄUSER LAMPE |
PRIVATBANK: |
"Die ZEW-Befragung spricht für Absturz, Krise und |
Ohnmacht. Vor allem die miserable Lagebeurteilung deutet auf ein |
wachstumsseitig erneut verlorenes Quartal hin. Die Erwartungen |
stürzen auch deshalb ab, weil es schlicht kein Licht am Ende des |
Tunnels zu sehen gibt. Der allgemeine Trend zu sinkenden |
Wachstumsprognosen dürfte sich fortsetzen. Kurzarbeit in der |
Industrie und Stellenkürzungen werden zunehmen. Ein |
Stimmungswechsel ist bis zur Bundestagswahl 2025 nicht in Sicht. |
Bei anhaltender Wirtschaftsflaute wird die Regierung |
haushaltsseitig weiter ins Schleudern kommen." |
ULRICH WORTBERG, ÖKONOM HELABA: |
"Erneute Stimmungseintrübung: In Deutschland ist der |
Saldo der Konjunkturerwartungen das dritte Mal in Folge |
gesunken. Zudem wurde die Konsensschätzung klar unterschritten. |
Auch der Saldo der Lageeinschätzungen ist rückläufig. Negative |
Vorgaben gab es von der ähnlich konzipierten Sentix-Umfrage, bei |
der die Lage- und Erwartungswerte, trotz der schon sehr |
niedrigen Niveaus, nochmals gesunken waren. Für das kommende |
Ifo-Geschäftsklima Deutschland zeichnet sich ebenfalls ein |
Rückgang ab. Entsprechend werden die konjunkturellen |
Sorgenfalten tiefer und die Zinssenkungserwartungen bezüglich |
der EZB tendenziell gestärkt." |
"Mit den bevorstehenden Wintermonaten scheint sich auch die deutsche Volkswirtschaft in den Winterschlaf zu begeben. Bedauernswert ist, dass im Gegensatz zum Wetter für die heimische Wirtschaft der Hochsommer ausfiel. Für einen nachhaltigen Aufschwung müssten sich die Auftragsbücher der deutschen Unternehmen wieder füllen. Doch genau daran hapert es im Moment. Die globale Investitionsnachfrage leidet derzeit, was besonders die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft zu spüren bekommt. Dahinter stecken auch unter anderem Deglobalisierungstendenzen, die in China, aber auch in den USA unübersehbar sind.
An dieser schwierigen Konstellation wird sich in den kommenden Monaten und vermutlich auch Quartalen kaum etwas Nennenswertes ändern. Dies signalisieren heute auch die ZEW-Konjunkturerwartungen. Die deutsche Wirtschaft wird über die nächsten Quartale hinweg im Dreieck zwischen Stagnation, leichtem Wachstum und leichtem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts befinden."
(Bericht von Reinhard Becker - redigiert von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)