Berlin, 15. Okt (Reuters) - Börsenprofis schauen in Erwartung weiter sinkender Zinsen mit mehr Optimismus auf die deutsche Konjunktur. Das Barometer für die Aussichten in den kommenden sechs Monaten stieg im Oktober um 9,5 Punkte auf 13,1 Zähler, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner Umfrage unter Analysten mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Anstieg auf 10,0 Punkte gerechnet. In ersten Reaktionen hieß es dazu:
MICHAEL HOLSTEIN, DZ BANK: |
"Die Hoffnung auf eine wieder anspringende Konjunktur |
zeigt sich derzeit auch am Aktienmarkt. Dahinter stehen zum |
einen die Aussichten auf sinkende Zinsen und zum anderen |
positive Nachrichten aus den wichtigsten Absatzmärkten der |
deutschen Unternehmen. Denn in den Vereinigten Staaten deuten |
die jüngsten Wirtschaftsdaten auf ein weiterhin robustes |
Wachstum hin ? die Rezessionsängste sind bei den Amerikanern |
verschwunden. Und in China sorgt ein massives Konjunkturprogramm |
der Regierung an den Finanzmärkten für Hoffnung, dass die |
chinesische Strukturkrise überwunden wird. Zusammen mit der |
Aussicht auf weitere Zinssenkungen der EZB versprüht das auch |
bei den Finanzmarktteilnehmern in Deutschland wieder etwas |
Optimismus. |
Sollte sich diese Trendwende in den kommenden Monaten |
bestätigen und die Stimmungsaufhellung auch bei den deutschen |
Unternehmen bemerkbar machen, könnte das auch hierzulande der |
Startschuss für eine allmähliche wirtschaftliche Erholung um die |
Jahreswende sein. Ein kräftiger Aufschwung ist allerdings |
angesichts der strukturellen Probleme vorerst nicht zu |
erwarten." |
"Die ZEW-Umfrage für den Monat Oktober bietet diesmal keine Hiobsbotschaften. Die Lageeinschätzung bleibt zwar weiter fast so schlecht wie in den tiefen Rezessionen von 2009 oder 2020. Doch die Konjunkturerwartungen haben sich im vergangenen Monat spürbar verbessert, was vor allem an der Aussicht auf eine schnellere Zinswende liegen dürfte. Allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Konjunkturerwartungen sich schon im Frühjahr stark verbessert hatten, was sich im Rückblick als falsches Signal herausstellte. Die Stimmung wird sich noch deutlich verbessern müssen, bevor vor allem die Unternehmensinvestitionen wieder anziehen."
"Die Verbesserung der Erwartungen kann nur aus dem Glauben resultieren, dass es schlechter nicht werden kann. Für Optimismus taugt die Befragung jedenfalls nicht. Vor allem die anhaltend miserable Lagebeurteilung lässt Wachstumshoffnungen nicht zu. Wegen ungelöster Strukturprobleme dürften sich stagnative Tendenzen weiter festsetzen. Die Themen der nächsten Monate sind Kurzarbeit, Stellenkürzungen und Abwanderung von Unternehmen. Einen Stimmungswechsel wird es bis zur nächsten Bundestagswahl kaum geben."
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)