Nachricht


12.11.2024 /12:53:32
CHRONIK-Neuwahl im Februar wäre Rekord - So schnell ging es noch nie

(Aktualisierte Fassung)
12. Nov (Reuters) - Union, SPD, Grüne und FDP streben
Insidern zufolge die Neuwahl des Bundestags für den 23. Februar
an. Voraussetzung ist, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) die nun im
Dezember geplante Vertrauensabstimmung im Bundestag wie erwartet
verliert und dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diesen
Wahltermin festlegt. Dann würde der Bundestag in Rekordzeit neu
gewählt. In den bisherigen Fällen, in denen der Bundestag
vorzeitig aufgelöst wurde, dauerte es länger von der Ankündigung
der Vertrauensfrage bis zur Neuwahl. Unter einem amtierenden
Kanzler ist dies der einzige Weg zu einer vorgezogenen
Bundestagswahl.

Scholz hatte am 6. November angekündigt, mit der Vertrauensfrage Neuwahlen einzuleiten. Von da an sind es rund dreieinhalb Monate bis zum 23. Februar. Unter Kanzler Willy Brandt (SPD) verstrichen 1972 rund fünf Monate von Juni bis November. Bei Helmut Kohl (CDU) waren es ebenfalls rund fünf Monate von Oktober 1982 bis März 1983. Unter Gerhard Schröder (SPD) dauerte es 2005 rund vier Monate von Mai bis September. Anders als Scholz und Brandt hatten Kohl und Schröder allerdings bis zum Schluss eine Koalitionsmehrheit. Ein Überblick:



WILLY BRANDT (SPD) 1972

23. April

Nach Fraktionsaustritten aus Brandts SPD/FDP-Koalition im Streit über seine Ostpolitik wechselt ein weiterer Abgeordneter das Lager. Damit entsteht ein Patt zwischen den Koalitionsparteien und der oppositionellen Union.

27. April

Ein konstruktives Misstrauensvotum der Union mit ihrem Kandidaten Rainer Barzel (CDU) gegen Brandt scheitert knapp.

28. April

Als Brandt seinerseits im Bundestag keine Mehrheit für seinen Kanzleretat findet, erklärt er sich bereit zu Neuwahlen.

24. Juni

Brandt erklärt, er strebe Neuwahlen im November an, um klare Verhältnisse zu schaffen. Allen Beteiligten ist klar, dass der Weg über die Vertrauensfrage führt, die bereits zur Debatte stand. Kritiker bemängeln, eine absichtlich verlorene Vertrauensabstimmung sei nicht im Sinne des Grundgesetzes.

20. September

Brandt stellt den offiziellen Antrag an den Bundestag, ihm das Vertrauen auszusprechen. Seine erklärte Absicht ist, die Mehrheit zu verfehlen und damit Neuwahlen zu ermöglichen.

22. September

Vertrauensabstimmung im Bundestag. Obwohl Brandts Koalition bereits keine Mehrheit mehr hat, enthalten sich fast alle Regierungsmitglieder, um die von Brandt beabsichtigte Niederlage sicherzustellen. Bundespräsident Gustav Heinemann löst den Bundestag auf.

19. November

Bei der Bundestagswahl gewinnt Brandts SPD/FDP-Koalition eine klare Mehrheit.



HELMUT KOHL (CDU) 1982-1983

17. September

Im Streit über die Wirtschaftspolitik zerbricht die sozialliberale Koalition von Helmut Schmidt (SPD). Die FDP-Minister treten zurück, Schmidt führt eine Minderheitsregierung der SPD.

01. Oktober

Mit einem konstruktiven Misstrauensvotum stürzen CDU/CSU und FDP Schmidt und wählen Kohl zum Kanzler.

13. Oktober

Kohl kündigt in seiner Regierungserklärung an, die Vertrauensfrage zu stellen, um Neuwahlen einzuleiten. Wie bei Brandt ist auch Kohls Vorgehen umstritten.

13. Dezember

Kohl stellt die Vertrauensfrage, in der Absicht, die Mehrheit zu verfehlen und damit Neuwahlen zu erreichen.

17. Dezember

Vor der Bundestagsabstimmung verteidigt Kohl sein Vorgehen: Er suche für den Regierungs- und Politikwechsel die Legitimation der Wähler. Wie verabredet, versagen die Abgeordneten der CDU/FDP-Koalition Kohl das Vertrauen.

06. Januar

Bundespräsident Karl Carstens löst den Bundestag auf.

16. Februar

Nach einer Klage mehrerer Abgeordneter billigt das Bundesverfassungsgericht Kohls Vorgehen. Das Gericht betont aber, dass dies nur in einer echten Krise zulässig sei.

06. März

Die Union gewinnt die Bundestagswahl klar. Trotz Verlusten der FDP kann Kohl seine schwarz-gelbe Koalition fortsetzen.



GERHARD SCHRÖDER (SPD) 2005

22. Mai

Die SPD verliert in Nordrhein-Westfalen die Landtagswahl gegen die CDU. Es ist die Fortsetzung einer Serie von Niederlagen bei Landtagswahlen angesichts der von Schröder und seiner rot-grünen Koalition eingeleiteten Arbeitsmarktreformen.

Schröder kündigt die Vertrauensfrage an, um eine Neuwahl zu erreichen. Ähnlich wie bei Brandt und Kohl gibt es Kritik. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken heißt es auch, Schröder begehe "politischen Selbstmord".

27. Juni

Schröder stellt die Vertrauensfrage, in der Absicht, die Mehrheit zu verfehlen und damit Neuwahlen zu ermöglichen.

01. Juli

Vor der Abstimmung im Bundestag erklärt Schröder zur Begründung, er habe keine sichere Mehrheit mehr. Zudem blockiere der Bundesrat seine Politik. Zur Fortsetzung seiner Reformen benötige er neue Legitimation durch das Volk. Bei der namentlichen Abstimmung verfehlt Schröder wie beabsichtigt die Mehrheit.

21. Juli

Bundespräsident Horst Köhler löst den Bundestag auf und setzt Neuwahlen für den 18. September an.

25. August

Nach einer Klage mehrerer Abgeordneter billigt das Bundesverfassungsgericht auch Schröders "unechte Vertrauensfrage". Das Gericht räumt dem Kanzler und dem Bundespräsidenten bei der Einschätzung der Stabilität der Regierung einen großen Entscheidungsspielraum ein.

18. September

Bei der Bundestagswahl verlieren SPD und Grüne und büßen damit ihre Koalitionsmehrheit ein. Aber auch CDU/CSU verlieren, während FDP und die Linke hinzugewinnen.

22. November

Der Bundestag wählt mit der Mehrheit einer großen Koalition aus Union und SPD Angela Merkel (CDU) zur Kanzlerin.

(Zusammengestellt von Jörn Poltz, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen. Herausgeber: Kreissparkasse Heinsberg, welche unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) steht.