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14.10.2024 /09:06:06
VORSCHAU-EZB vor dritter Zinssenkung - "Wird nicht die letzte dieses Jahr sein"

(Wiederholung vom Freitag)

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Zinssenkung gilt nach Signal Lagardes als sehr wahrscheinlich



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Einlagesatz dürfte auf 3,25 Prozent sinken

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Inflationsrückgang spricht für Lockerung

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Ökonom: EZB muss "nicht in Zinssenkungspanik verfallen"
 
Berlin/Frankfurt, 14. Okt (Reuters) - Die Europäische
Zentralbank (EZB) steht voraussichtlich kurz vor der dritten
Zinssenkung in diesem Jahr. Fast alle der von der
Nachrichtenagentur Reuters befragten Experten gehen davon aus,
dass der für die Finanzmärkte relevante Einlagesatz am
Donnerstag um einen Viertelpunkt auf 3,25 Prozent nach unten
geschraubt wird. Auch Bundesbankchef Joachim Nagel zeigte sich
"durchaus offen" für solche Überlegungen. Dies verdeutlicht,
dass selbst Anhänger eines eher straffen Kurses die Hand für
eine weitere Lockerung heben könnten, auch wenn der Österreicher
Robert Holzmann vor der EZB-Ratssitzung in Slowenien Bedenken
anmeldete. Doch den Befürwortern einer Senkung spielt in die
Hände, dass die von Nagel früher als "gieriges Biest"
bezeichnete Inflation vorerst gebändigt scheint.

Die Teuerung im Euroraum ist im September auf 1,8 Prozent gesunken und damit erstmals seit Mitte 2021 unter die Zielmarke der EZB von zwei Prozent gefallen. Inflationsraten von mehr als zehn Prozent wie im Herbst 2022 sind damit Geschichte. Die Währungshüter um Zentralbankchefin Christine Lagarde gehen zwar davon aus, dass es gegen Jahresende zu einem vorübergehenden Aufflackern kommt. Die jüngsten Entwicklungen stärkten allerdings die Zuversicht, dass die Inflation zeitnah wieder auf das Zielniveau zurückkehren werde, sagte Lagarde Ende September im Europa-Parlament. Danach sendete sie ein Signal für eine Zinssenkung: "Wir werden das bei unserer nächsten geldpolitischen Sitzung im Oktober berücksichtigen."

Viele Experten gehen fest davon aus, dass die EZB gegen Jahresende einen weiteren Schritt nach unten folgen lassen wird: "Die zu erwartende dritte Leitzinssenkung der EZB seit Juni wird nicht die letzte dieses Jahr sein", meint auch Robert Greil, der Chefstratege vom Bankhaus Merck Finck. Nach Einschätzung von Commerzbank-Ökonom Marco Wagner stehen die Notenbanker nun vor der Herausforderung, die Marktfantasien nicht zu sehr anzustacheln, um auf den nächsten Sitzungen nicht in Zugzwang zu geraten: "Denn aus unserer Sicht dürfte die EZB nur einen Zwischenspurt einlegen und ab dem neuen Jahr die Zinsen wieder nur einmal im Quartal senken", sagt der Experte voraus.

Die EZB müsse "nicht in Zinssenkungspanik verfallen" meint DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater und verweist auf das noch deutlich höhere Leitzinsniveau in den USA. Die Notenbank Fed hatte erst im September die Leitzinswende gewagt und den geldpolitischen Schlüsselsatz mit einem ungewöhnlich großen Schritt auf die Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent gesenkt.

UNSICHERE KONJUNKTURAUSSICHTEN

DWS-Volkswirtin Ulrike Kastens geht davon aus, dass die EZB die Zinszügel im Dezember weiter lockern wird. "Dann werden auch die Projektionen bis einschließlich 2027 vorliegen, die vor allem im Hinblick auf die Erreichung des Inflationsziels wichtig sein werden." Die Fachleute der EZB veranschlagten im September eine Gesamtinflation für den Euroraum von 2,5 Prozent für 2024 und 2,2 Prozent für 2025. 2026 soll die Teuerungsrate dann mit 1,9 Prozent sogar leicht unter das EZB-Ziel fallen. Mit Blick auf die Konjunkturentwicklung erwarten die EZB-Volkswirte ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent für 2024, von 1,3 Prozent für 2025 und von 1,5 Prozent für 2026.

Die Währungshüter halten eine Rezession in der Euro-Zone für unwahrscheinlich, auch wenn mit dem Einkaufsmanagerindex von S & P Global zuletzt ein wichtiger Frühindikator eine einsetzende Talfahrt signalisierte. Die unsicheren Konjunkturaussichten im Euroraum dürfte laut DWS-Expertin Kastens auch den jetzt anstehenden Zinsentscheid maßgeblich beeinflussen: "Letztlich dürften Befürchtungen, dass sich die Konjunktur schwächer als bisher angenommen entwickeln könnte, eine wichtige Rolle für den von uns erwarteten Zinsschritt spielen."

(Bericht von Reinhard Becker, Balazs Koranyi und Indradip Ghosh. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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