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25.09.2024 /17:20:42
HINTERGRUND-Wechsel bei Grünen: Erschütterung für Ampel, aber kein Beben

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Opposition wittert Verfall



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Koalition beschwört Zusammenhalt



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"Bis zum Haushalt ziehen alle an einem Strang"



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Auftrieb für Personaldebatte in der SPD





- von Andreas Rinke -

Berlin, 25. Sep (Reuters) - Als Omid Nouripour sagte, er habe keine Hoffnung mehr, dass SPD, Grüne und FDP ihre Streitereien beenden würden, verdrehten in der Ampel-Koalition viele die Augen. Nouripour war bereits mit der Bemerkung angeeckt, dass es sich bei der Ampel nur um eine "Übergangsregierung" handele. Dennoch war am Dienstag die Überraschung groß, als er zusammen mit Co-Chefin Ricarda Lang den Rücktritt erklärte. Sofort löste dies die Frage aus, ob die Erschütterung bei den Grünen auch ein Beben in der Ampel-Koalition auslöst. Immerhin kocht seit dem schlechten Abschneiden von FDP und Grünen bei der Landtagswahl in Brandenburg die Gerüchteküche über einen Ausstieg der Liberalen.

Wenig verwunderlich sieht die Opposition - von CDU/CSU über BSW bis AfD - den Rückzug des Duos als Zerfallserscheinung der Regierung. Wenig verwunderlich ist auch, dass die einhellige Antwort der drei Regierungsparteien war, dass dies nicht der Fall sei. "Das hat keinerlei Auswirkung auf die Koalition", ließ etwa Kanzler Olaf Scholz Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagen. Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, sagte: "Ich gehe davon aus, dass dies eine Neusortierung innerhalb der Grünen-Partei bedeutet und nicht innerhalb der Regierung und der Grünen-Fraktion." Sie spielte darauf an, dass die Personalveränderung mehr mit der bevorstehenden Entscheidung über eine Kanzlerkandidatur von Wirtschaftsminister Robert Habeck zu tun haben dürfte.

Tatsächlich häufen sich seit dem Brandenburger Wahldebakel die Durchhalteappelle und gegenseitigen Ermutigungen in den drei Parteien. Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann listete eine Reihe von Projekten auf, die die Grünen in dieser Legislaturperiode noch durchsetzen wollen - sie will den Gedanken an einen Koalitionsbruch garnicht erst aufkommen lassen. FDP-Chef Christian Lindner und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verwiesen beide auf einen "Herbst der Entscheidungen".

NICHT OHNE HAUSHALT INS WAHLJAHR

Das wurde zwar auch als Drohung der FDP wahrgenommen, die Koalition zu verlassen. Aber genaugenommen beschrieb es nur die Lage in der Koalition, die noch den Haushalt für 2025, das Rentenpaket II, ein umfassendes Wirtschaftspaket und das Tariftreuegesetz beschließen will - um nur einige Themen zu nennen. "Zumindest bis zur Verabschiedung des Haushalts ziehen alle drei an einem Strang", betont ein führender Ampel-Politiker, der nicht genannt werden will. Dies gelte auch für die FDP, weil der Finanzminister nicht ohne Haushalt ins Wahljahr gehen wolle.

Einige Wellen dürfte die Grünen-Personalvolte aber außerhalb der Partei auslösen - und zwar in der SPD. Dort gibt es seit einiger Zeit Murren über die schlechten Umfragewerte von Kanzler Olaf Scholz und der Partei. Vor allem Co-Chefin Saskia Esken wurde von Parteifreunden offen kritisiert. Dass die Grünen nun in der Krise einen Neustart wagen, dürfte diejenigen beflügeln, die personelle Änderungen bei der SPD fordern. Umso entschiedener war am Mittwoch die Mahnung der Parteioberen in Regierung, Fraktion und Partei. "Wir sind hier im Arbeitsmodus, nach wie vor", wies etwa Mast alle Spekulationen zurück. "Die SPD ist sortiert." Dass man mit Scholz als Kanzlerkandidaten antrete, sei ohnehin klar.

(Redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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