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25.09.2024 /17:51:34
FOKUS 3-Trillerpfeifen und Sensenmann - Volkswagen steuert auf harten Tarifkonflikt zu

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VW weist Forderungen der IG Metall zurück

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Mitarbeitern drohen Minusrunde

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Gewerkschaft droht mit Streik ab Dezember
 
(Neu: Ende der Gespräche, Aussagen Cavallo, Meiswinkel, Gröger)
Hannover, 25. Sep (Reuters) - Im Tarifkonflikt bei
Europas größtem Autobauer Volkswagen <VOWG_p.DE> droht das
Management den Beschäftigten mit Gehaltseinbußen. Das
Unternehmen wies am Mittwoch in Hannover die Forderungen der IG
Metall von unter anderem sieben Prozent mehr Lohn zurück. "Die
Lage ist ernst, wir brauchen Kostenentlastungen, um die
Investitionen in die Zukunft zu finanzieren", sagte
VW-Chefunterhändler Arne Meiswinkel nach den gut dreistündigen
Gesprächen. "Hierfür wird ein Beitrag der Beschäftigten
erforderlich sein." Faktisch fordere Volkswagen nicht nur eine
Null-, sondern eine Minusrunde und wolle den Beschäftigten in
den Geldbeutel greifen, erklärte die IG Metall dazu. "Das Fazit
ist: Standortschließungen und Massenentlassungen bleiben im
Raum", sagte IG-Metall-Chefunterhändler Thorsten Gröger.

Einen neuen Verhandlungstermin hätten beide Seiten bislang noch nicht vereinbart, sagte Gröger. "Wir haben dem Unternehmen die Hausaufgabe mitgegeben, ein Zukunftskonzept zu erarbeiten und danach können wir einen neuen Termin vereinbaren." Betriebsratschefin Daniela Cavallo sagte, das Unternehmen sorge durch seine Ankündigungen dafür, dass die Ängste bei den Mitarbeitern zunähmen. "Wir haben heute gesehen, die Belegschaft ist bereit, für die Forderungen, die wir haben, auf die Straße zu gehen."

Drei Stunden dauerte die erste Verhandlungsrunde, an der
49 Gewerkschaftsvertreter und 18 Vertreter des
Volkswagen-Managements teilnahmen. Die Gespräche seien zu Beginn
unterkühlter gewesen als in anderen Tarifrunden, sagte Gröger.
Das Management habe Charts vorgelegt, welche den
Deutschland-Malus von Volkswagen deutlich machen sollten,
erklärte die IG Metall. Management-Fehler, gravierende
Fehleinschätzungen der Vergangenheit und Belastungen wie der
Dieselskandal seien nicht erwähnt worden. In der
Verhandlungsrunde sei vom Unternehmen nichts gekommen außer
einem "Klagelied über die harte Wettbewerbssituation", sagte
Cavallo. Nun müsse die Arbeitgeberseite ihrer Verantwortung
gerecht werden und sagen, wo sie denn hin wolle. "Mit einer
solchen Gesprächseinstellung kommen wir keinen Schritt weiter!"
 
3000 VW-MITARBEITER ZU KUNDGEBUNG ANGEREIST

Vor Beginn der Gespräche waren mehr als 3000 VW-Mitarbeiter zum Verhandlungsort im Schloss Herrenhausen in Hannover gekommen. Gröger hatte im Vorfeld mit Streiks ab dem 1. Dezember gedroht. "Der Winter kommt ? und wir werden dann, wenn nötig, dem Vorstand richtig einheizen!" Der Konflikt mit VW habe erst begonnen. Die VW-Mitarbeiter auf dem Hof vor dem Tagungszentrum im Schloss Herrenhausen machten mit Pfeifkonzerten und Buh-Rufen auf ihre Situation aufmerksam. Die Demonstranten waren aus zahlreichen VW-Werken angereist, hielten Plakate in die Luft, Bengalofeuer wurden angezündet, Rauch lag über dem Hof. Einer hatte sich als Sensenmann verkleidet. VW-Mitarbeiter Franz Onken konnte seine Wut nur schwer unterdrücken. "Ich bin wirklich sauer, ich weiß auch gar nicht, was ich sagen soll", sagte er. "Wenn ich könnte, würde ich dem sowas von in den Arsch treten, dem Vorstand."

Gewerkschaft und Cavallo kritisierten VW scharf dafür,
dass die Tarifverträge aufgekündigt wurden, ohne vorher zu
verhandeln. In den vergangenen Jahrzehnten hätten die
Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Management Lösungen für Krisen
gefunden, sagte Cavallo. Die Belegschaft und der Betriebsrat
verschlössen sich nicht, Lösungen für die derzeitige Situation
zu finden. "Insofern sind wir tief enttäuscht, dass dieser
Tabubruch jetzt begangen wurde, dass nach 30 Jahren
Beschäftigungssicherung diese Partnerschaft auf Augenhöhe auch
in schwierigen Zeiten aufgelöst wurde."
 
Volkswagen hatte den verschärften Sparkurs damit
begründet, dass der Autoabsatz in Europa deutlich gesunken ist
und um zwei Millionen Autos unter dem Vor-Corona-Niveau liegt.
Finanzchef Arno Antlitz sprach von 500.000 Fahrzeugen, die
allein VW deswegen fehlten. Dazu kommt die Schwäche in China.

(Bericht von Christina Amann, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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