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Parteien versprechen Milliarden-Entlastungen und -Förderungen
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Oft fehlt Gegenfinanzierung
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Haushaltsausschuss: Mehr als 20 Mrd Euro für Rüstungsprojekte
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Bundestag und Bundesrat beschließen Entlastung von 14 Mrd Euro
- von Andreas Rinke |
Berlin, 21. Dez (Reuters) - Man könnte die Woche seit |
dem 16. Dezember als eine der teuersten Wochen für den |
Bundeshaushalt seit langer Zeit bezeichnen. Zum einen |
beschlossen Parlament und Bundesrat eine Entlastung der Bürger |
von 14 Milliarden Euro ab dem 1. Januar 2025. Zum anderen |
billigte der Haushaltsausschuss des Bundestages zahlreiche |
Vorlagen für Rüstungsprojekte mit einem Volumen von mehr als 20 |
Milliarden Euro. Und am Dienstag legten die Parteien ihre |
Wahlprogramme für die vorgezogene Bundestagswahl 2025 vor, in |
denen Ausgaben versprochen wurden, die Ökonomen auf dreistellige |
Milliardenbeträge summierten. Was allen gemeinsam ist: Genau |
genommen gibt es keine finanzielle Hinterlegung. Dennoch gibt es |
gravierende Unterschiede. |
Bis Anfang der Woche hatten CDU und CSU argumentiert, dass man der von den früheren Ampelparteien SPD, Grüne und FDP geplante Abmilderung der Kalten Progression in der Einkommenssteuer und der Erhöhung des Kindergelds nicht mehr zustimmen könne. Denn die noch amtierende Regierung habe keinen Haushalt 2025 mehr beschließen können. Der Finanzminister muss also mit einer sogenannten vorläufigen Haushaltsführung in das kommende Jahr gehen. Doch weil sich im Bundestagswahlkampf niemand dem Vorwurf aussetzen will, Bürger nicht entlasten zu wollen, machte die Union am Ende doch mit.
Die Bürger können ab Jahresanfang trotz des fehlenden Haushalts fest mit einer Entlastung von rund 14 Milliarden Euro rechnen. Denn der Beschluss von Bundestag und Bundesrat bindet die Regierung und ihre Nachfolgerin, weil beschlossene staatliche Leistungen auch ohne beschlossenen Haushalt ausgezahlt werden.
Etwas anders sieht es bei den Rüstungsprojekten aus. Auch hier stimmte die Union am Ende zu, obwohl Kanzlerkandidat Friedrich Merz zuvor gesagt hatte, dass die Union keine haushaltsrelevanten Pläne der amtierenden rotgrünen Minderheitsregierung mehr durchwinken werde. Am Ende agierte sie im Haushaltsausschuss anders. Der Grund: Auch die Union, die von einem Regierungswechsel und einer Regierungsverantwortung nach dem 23. Februar ausgeht, will große Rüstungsvorhaben vorantreiben. Nach dem deutschen Haushaltsrecht braucht es aber einen Beschluss, damit Verträge mit der Industrie überhaupt geschlossen werden können - für oft langwierige Anschaffungen wie U-Boote, die erst in den Folgejahren ausgeliefert und bezahlt werden.
SPD, Grüne und Union haben nun künftigen Regierungen erlaubt, dass das Geld fließen kann - ohne dass heute genau klar ist, in welchem Jahr dies fällig werden wird und ob die Industrie ihre Aufträge erfüllt. Weil dies technisch kompliziert klingt, sorgten die Beschlüsse für wenig Aufregung, obwohl sie mehr als 20 Milliarden Euro an zusätzlichem Steuergeld in der Zukunft schon einmal binden. Denn aus dem sogenannten Sondervermögen Bundeswehr mit seinen 100 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen können die Pläne nicht bezahlt werden. Es ist bereits komplett verplant.
Für die größte Aufregung sorgten die vorgestellten Wahlprogramme. Der Grund: Laut Berechnungen etwa des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kosten die Wahlpläne der in den Umfragen führenden CDU/CSU knapp 90 Milliarden Euro pro Jahr, der Großteil entfällt auf versprochene steuerliche Entlastungen für Haushalte und Unternehmen. Bei der FDP kommt das IW sogar auf 138 Milliarden Euro. Das würde massive Löcher in den Haushalt reißen. Das Wahlprogramm der SPD kostet laut IW-Forscher gut 30 Milliarden Euro, das der Grünen 48 Milliarden.
Was allerdings fehlt, sind etwa bei Union und FDP konkrete Vorschläge, wie man diese Lücken stopfen könnte. CDU-Chef Friedrich Merz und auch CSU-Vorsitzende Markus Söder warnen vor einer zu statischen Sicht. Söder gibt an, dass durch Einsparungen beim Bürgergeld, der Migrationspolitik und beim Heizungsgesetz 100 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden könnten - also eine Gegenfinanzierung stehe. Experten bezweifeln dies, weil die Union staatliche Leistungen nur zum Teil streichen oder auf die Kommunen abwälzen kann.
Merz wiederum argumentiert, dass die Einsparungen bei zwei bis drei Milliarden Euro pro 100.000 Menschen lägen, die man aus dem Bürgergeld in Arbeit bringe - und die steuerlichen Mehreinnahmen machten gleichzeitig 1,7 Milliarden Euro aus. Das Problem: Der Arbeitsmarkt verschlechtert sich derzeit, die Aufnahmefähigkeit ist unklar. Merz verweist zudem darauf, dass ein Prozent Wirtschaftswachstum etwa zehn Milliarden Euro Steuermehreinnahmen mehr erbringen. Hier verweisen Experten aber darauf, dass die trübe Konjunktur auch nach einem Regierungswechsel kaum schnell anziehen dürfte. Das Potenzialwachstum liegt laut Sachverständigenrat 2025 ohnehin nur bei 0,4 Prozent, weil Deutschlands Wirtschaft unter strukturellen Problemen leidet.
Merz hat bei der Vorstellung des Wahlprogramms nun betont, dass man etwa die Senkung der Unternehmenssteuern in Schritten vornehmen wolle. Wenn die Haushaltspolitik dominiert, weil die Union sowohl höhere Steuern an anderer Stelle als auch eine Lockerung der Schuldenbremse ablehnt, würde dies allerdings wiederum den versprochenen positiven Wirtschaftseffekt schmälern. Eine offene Frage ist, ob es mit der Union ein neues Sondervermögen Bundeswehr für große, mehrjährige Rüstungsprojekte geben könnte - aus dem dann übrigens auch etwa die erwähnten Beschaffungsprojekte bezahlt werden könnten.
Die Sozialdemokraten nennen in ihrem Wahlprogramm zumindest zwei zu kombinierende Möglichkeiten, damit die versprochenen steuerlichen Entlastungen keine Luftbuchungen sind: Dazu zählen höhere Steuern etwa für Spitzenverdiener, auf Erbschaften und Finanztransaktionen. Daneben soll die Schuldenbremse moderat reformiert werden, damit für Investitionen mehr Kredite aufgenommen werden können. Das Problem: Auf dem Papier gibt es eine Gegenfinanzierung. Aber die SPD hat in den vergangenen Jahren etwa die stets angestrebte Vermögenssteuer nie in einer Koalition durchsetzen können. Und der derzeit wahrscheinlichste Koalitionspartner laut Umfragen ist - die Union.
(Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)