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07.01.2025 /21:14:05
FOKUS 2-FPÖ-Chef will "neue Ära" in Österreich und Gespräche mit der ÖVP

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FPÖ-Chef will Österreich "ehrlich regieren"

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Kickl: ÖVP muss ihre Fehler und FPÖ-Wahlsieg anerkennen

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FPÖ-Chef: Wir wären notfalls für Neuwahlen gerüstet
 
(Neu: FPÖ für Verhandlungen)
- von Francois Murphy und Klaus Lauer
Wien/Berlin, 07. Jan (Reuters) - Der FPÖ-Chef und
mögliche künftige österreichische Bundeskanzler Herbert Kickl
hat für die erwarteten Koalitionsgespräche mit der konservativen
ÖVP Forderungen gestellt. Die ÖVP müsse ehrlich verhandeln,
sagte der Rechtspopulist am Dienstag in Wien bei einem Statement
vor der Presse, wo keine Fragen zugelassen waren. Zudem müsse
allen klar sein, dass die FPÖ die Wahl gewonnen habe und die
Konservativen die Verantwortung dafür hätten, dass das Land
derzeit in einer so schlechten wirtschaftlichen und budgetären
Lage sei. Am Abend stimmte das FPÖ-Bundesparteipräsidium
einstimmig für Verhandlungen mit der ÖVP. Dessen Chef Christian
Stocker hatte am Sonntag erklärt, eine Einladung zu Gesprächen
werde man annehmen.

Kickl hatte am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag erhalten, mit der ÖVP in Koalitionsverhandlungen die Bildung einer Regierung zu prüfen. Der 56-Jährige könnte damit erster rechter Bundeskanzler werden. Denn die FPÖ hat die Parlamentswahl im September gewonnen und mehr Stimmen geholt als die ÖVP. Diese wäre dann - anders als bei gemeinsamen Regierungen in der Vergangenheit - Juniorpartner in einer blau/türkis-schwarzen Koalition. Zuvor waren Koalitionsverhandlungen zwischen der noch regierenden ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ ebenso gescheitert wie Dreier-Gespräche mit den liberalen Neos. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hatte am Samstag seinen Rücktritt angekündigt.

"KEINE SPIELCHEN, KEINE TRICKS"

Stocker hatte Kickl in der Vergangenheit scharf kritisiert und anfangs eine Koalition von ÖVP und FPÖ strikt abgelehnt. Kickl mahnte nun die ÖVP: "Keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage, keine Quertreiberei und keine Politik um des Machterhaltens." Wichtig sei vielmehr eine "Politik für eine echte Veränderung, einen Wiederaufbau und für den Beginn einer neuen Ära." Die Konservativen müssten geschlossen und mit einer eindeutigen und einheitlichen Position verhandeln. Sollte dies nicht gewährleistet sein, "dann war's das auch schon wieder", sagte Kickl. "Dann gibt es eben Neuwahlen - wir sind dafür gerüstet." Er verwies auf Umfragen, wonach die FPÖ ihren Vorsprung gegenüber der ÖVP seit der Wahl noch ausgebaut habe.

Kickl warf der scheidenden Koalition aus ÖVP und Grünen vor, das Land heruntergewirtschaftet zu haben - wirtschaftlich und finanziell. "Unser Land wurde also vor die Wand gefahren." Nun brauche es einen "massiven politischen Feuerwehreinsatz" sowie einen Wiederaufbau im Geiste eines neuen Optimismus und mit einer neuen Art von Politik. Die Politik müsse eher Diener der Menschen sein und nicht deren Schulmeister.

Gemeinsamkeiten gibt es zwischen ÖVP und FPÖ in mehreren Fragen, etwa beim strikten Kurs zum Thema Einwanderung und Abschiebungen. Zudem plädieren beide Parteien für eine wirtschaftsfreundliche Politik mit Steuersenkungen, müssten aber mit der schwierigen Haushaltslage zurechtkommen. Kritisch dürfte sein, dass die FPÖ Hilfen für die Ukraine ebenso ablehnt wie Sanktionen gegen Russland. Inhaltlich äußerte sich Kickl hierzu nicht. Außenpolitik spielte keine Rolle in seinem Statement.

Die FPÖ war seit dem Jahr 2000 dreimal als Juniorpartner in einer ÖVP-geführten Bundesregierung vertreten. Allerdings hielt keines der Bündnisse bis zum Ende. Kickl selbst war von Dezember 2017 bis zum Zusammenbruch der Koalition im Mai 2019 Bundesinnenminister. Die Freiheitlichen legten bei der Wahl im September um fast 13 Prozentpunkte zu und holten mit knapp 29 Prozent die meisten Stimmen. Die ÖVP hingegen verlor gut 11 Punkte auf rund 26 Prozent. Die SPÖ erreichte etwas über 21 Prozent.

(Bearbeitet von Scot W. Stevenson Redigiert von Birgit Mittwollen Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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