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14.10.2024 /10:47:12
FOKUS 1-Israel streitet mit Westen um Abzug von UN-Truppen aus dem Libanon

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Borrell: Angriffe auf Unifil völlig inakzeptabel



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Israelischer Minister Cohen: UN-Truppen stehen im Weg



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Unifil: Israelische Panzer durchbrechen Tor von Stützpunkt



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Netanjahu: Blauhelme abziehen, da sie sonst Schutzschilde bilden



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UN: Angriff auf Unifil könnte Kriegsverbrechen darstellen
 
(Durchgehend neu)
Jerusalem/Luxemburg, 14. Okt (Reuters) -

Israel geht im Streit um einen Abzug der UN-Truppen aus dem Süd-Libanon auf Konfrontationskurs mit dem Westen. Entsprechenden Abzugs-Forderungen des Militärs seien die UN bisher nicht nachgekommen, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Dies hat zur Folge, dass den Hisbollah-Terroristen menschliche Schutzschilde zur Verfügung gestellt werden." Energieminister Eli Cohen erklärte am Montag auf "X", die UN hätten Israels Bürger schützen sollen. "Wenn die UN nicht helfen können, sollten sie zumindest nicht im Weg stehen und ihr Personal aus den Kampfgebieten abziehen." Die UN werfen Israel vor, die Truppen wiederholt beschossen zu haben. Nach einem neuen Zwischenfall kritisierte der EU-Außenbeauftragte Josip Borrell das Vorgehen Israels als "völlig inakzeptabel". UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat einen Abzug abgelehnt.

Jeder Angriff auf Friedenstruppen könne ein
Kriegsverbrechen darstellen, hatte Guterres weiter deutlich
gemacht. Unifil hatte am Wochenende einen weiteren schweren
Zwischenfall mit der israelischen Armee gemeldet: Zwei
israelische Panzer durchbrachen demnach am Sonntag das Tor eines
Stützpunktes der Blauhelme. Nach dem Abzug der Panzer seien
zudem mehrere Granaten etwa 100 Meter vom Lager entfernt
eingeschlagen. Israel wiederum sprach von Gefechten mit der
Hisbollah in der Nähe, die Panzer seien zur Bergung Verwundeter
eingesetzt worden.
Das israelische Militär führte Journalisten am Sonntag
zudem zu einem Tunnel, der 200 Meter von einem UN-Stützpunkt
gegraben wurde. Nach israelischen Angaben entstand er bereits
vor einigen Jahren und wurde von der Hisbollah genutzt. Man habe
dort auch Waffen gefunden.
Die Unifil-Blauhelme gerieten in den vergangenen Tagen
wiederholt unter Beschuss. Mindestens fünf von ihnen wurden
verletzt. Die meisten Angriffe werden den israelischen Truppen
zugeschrieben, die im Libanon aus der Luft und mit Bodentruppen
gegen die radikal-islamische Hisbollah-Miliz vorgehen. Bei einem
Drohnenangriff der Miliz auf einen israelischen Stützpunkt
starbenvier Soldaten.
 
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin drang am Sonntag
bei einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joaw
Gallantdarauf, die Sicherheit der UN-Truppen und auch der
regulären libanesischen Armee zu gewährleisten.
 
Der EU-Außenbeauftragte Borrell sagte bei einem
Außenministertreffen in Luxemburg, die Gemeinschaft habe zu
lange zum Vorgehen Israels gegen die Unifil geschwiegen.
EU-Länder wie Spanien, Frankreich und Italien stellten Tausende
der insgesamt 10.000 UN-Soldaten in der Konfliktzone zwischen
Südlibanon und Nord-Israel.
 
Spanien verurteilte wie zuvor Italiens
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Angriffe auf Unifil. Meloni
unterstrich nach Angaben ihres Büros in einem Telefonat mit
Netanjahu, dass Angriffe auf die Unifil inakzeptabel seien.
Normalerweise zählt Meloni zu den lautstärksten
Unterstützerinnen Israels unter den westeuropäischen Staats- und
Regierungschefs. In einer gemeinsamen Erklärung hatten 34 Länder
- darunter Deutschland - der UN-Friedenstruppe im Libanon ihre
uneingeschränkte Unterstützung zugesichert. Sie forderten alle
Konfliktparteien dringend auf, die Präsenz von Unifil zu
respektieren.
 
Israels Außenminister Israel Katz bekräftigte
unterdessen seine Entscheidung, Guterres zur unerwünschten
Person zu erklären. Er hatte am 2. Oktober ein Einreiseverbot
gegen den UN-Chef verhängt, weil er ihm vorwirft, Irans
Raketenangriff am Tag zuvor nicht deutlich genug verurteilt zu
haben. Der UN-Sicherheitsrat stellte sich daraufhin demonstrativ
hinter Guterres.
 
IRAN WARNT: BEI VERTEIDIGUNG GIBT ES KEINE "ROTEN
LINIEN"
 
Im Zuge der eskalierenden Kämpfe zwischen Israel und der
vom Iran unterstützten Hamas im Gazastreifen sowie der
libanesischen Hisbollah hatte die Islamische Republik am 1.
Oktobermehr als 180 Raketen auf Israel abgefeuert. Seither wird
mit einem Vergeltungsschlag Israels gerechnet. In
US-Regierungskreisen wird einem Medienbericht zufolge davon
ausgegangen, dass Israel die Ziele einer eventuellen Reaktion
auf Infrastruktur des iranischen Militärs und des Energiesystems
eingegrenzt hat. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Israel
Nuklearanlagen angreifen oder Attentate verüben wolle,
berichtete der Sender NBC unter Berufung auf ungenannte
US-Regierungsvertreter. Eine endgültige Entscheidung darüber,
wann und wie Israel reagieren werde, sei aber noch nicht
gefallen.
 
Irans Außenminister Abbas Araktschi signalisierte, dass
sein Land einen etwaigen israelischen Angriff nicht
unbeantwortet lassen würde. Bei der Verteidigung der iranischen
Bevölkerung und Interessen gebe es "keine roten Linien",
erklärte er.

(Bericht von Maayan Lubell, Clauda Tanios und Artorn Pookasook; geschrieben von Markus Wacket, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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