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12.11.2024 /14:35:35
FOKUS 1-Verfassungsgericht will Begründung für Soli-Erhebung genau überprüfen

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Kernfrage: Besteht noch ein besonderer Finanzbedarf für Osten?



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FDP-Kläger: Nein, der Grund für Soli ist weggefallen



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Regierung: Soli gerechtfertigt, auch mit sozialer Staffelung



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Urteil in einigen Monaten erwartet



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Regierung könnte nächstes Milliarden-Loch im Haushalt drohen





(neu: weitere Details aus Verhandlung, Reaktionen, Hintergrund)
Karlsruhe/Berlin, 12. Nov (Reuters) - Das
Bundesverfassungsgericht will die Begründung für den
Solidaritätszuschlag genau unter die Lupe nehmen.
Vizepräsidentin Doris König kündigte am Dienstag bei der
mündlichen Verhandlung in Karlsruhe an, dass der Zweite Senat
des höchsten deutschen Gerichts prüfen werde, ob der Bund
ausreichend dargelegt habe, dass auch Jahrzehnte nach der
Wiedervereinigung noch immer ein besonderer Finanzbedarf
bestehe. Das Urteil dazu wird in einigen Monaten erwartet. Es
könnte ein weiteres milliardenschweres Finanzloch in den
Haushalt des Bundes reißen. Vertreter der FDP forderten
abermals, den Soli abzuschaffen.

König kündigte an, bei der Überprüfung werde ein vom Bundesfinanzministerium eingereichtes Gutachten aus dem Frühjahr 2020 eine wichtige Rolle spielen. Dieses basiert auf der Expertise vom Münchner Ifo-Institut und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Sitz in Berlin. In dem Gutachten wurde der Soli als "noch begründet" bezeichnet. Das Gericht will zudem weitere Sachverständige hören.

Die Ergänzungsabgabe auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde 1995 unbefristet eingeführt und mit den immensen Kosten der Wiedervereinigung begründet. Zum Jahresende 2019 lief der sogenannte Solidarpakt II aber aus, der die Lebensbedingungen in Ost und West angleichen sollte. Trotzdem wurde die Ergänzungsabgabe 2020 noch erhoben. Das halten die Kläger für verfassungswidrig. In der mündlichen Verhandlung ging es auch darum, dass seit 2021 nur noch Besserverdienende mit der Sonderabgabe belastet werden.

Diese Konstruktion geht auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) zurück, der die Änderung als Finanzminister in der großen Koalition durchgesetzt hatte. Nur wer mindestens 18.100 Euro Einkommensteuer zahlt - Verheiratete mindestens 36.200 Euro - muss die Ergänzungsabgabe entrichten. Durch die hohe Freigrenze sind inzwischen rund 90 Prozent der Steuerzahler vom Soli befreit.

Der Staat hat im vergangenen Jahr nach Angaben des Finanzministeriums mehr als zwölf Milliarden Euro durch den Solidaritätszuschlag eingenommen. Die Steuerabgabe kommt ausschließlich dem Bund zugute.

STRAFSTEUER FÜR DIE WIRTSCHAFT?

Sechs FDP-Politiker hatten 2020 Verfassungsbeschwerde eingereicht. Sie argumentieren, es bestehe seit 2019 kein besonderer Finanzbedarf mehr. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, sagte, der Grund für den Zuschlag - der Aufbau Ost - sei weggefallen. Die FDP werde parallel auch versuchen, den Zuschlag im parlamentarischen Verfahren abzuschaffen. FDP-Chef Christian Lindner schrieb im Kurznachrichtendienst X, der Soli sei eine "Strafsteuer auf hohe Qualifikation und unternehmerische Risikobereitschaft" geworden. Viele Unternehmer zahlen ihn noch. Eine Streichung würde Lindner zufolge die lahmende Wirtschaft beleben. "Dass die Politik sich stattdessen gegebenenfalls von Karlsruhe zwingen lässt, belegt Mutlosigkeit."

Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung sagte dagegen, ein weiteres Loch im Haushalt würde zulasten staatlicher Investitionen gehen. Es wäre ein Steuergeschenk für Reiche. Vertreter des Finanzministeriums sagten in Karlsruhe, es gebe weiterhin Lasten durch die Wiedervereinigung. Eine soziale Staffelung gebe es auch in anderen Teil des Steuersystems.

In der Vergangenheit hatte das Verfassungsgericht Ergänzungsabgaben gebilligt. Bereits 1972 urteilten die Karlsruher Richter, dass eine Ergänzungsabgabe nicht befristet werden muss und aus sozialen Gründen auch nur für Besserverdienende erhoben werden kann. Auch eine Umwidmung der Gelder für andere Zwecke wurde damals gebilligt. Erforderlich war nach dieser Rechtsprechung nur, dass der Bund einen besonderen Finanzbedarf hat, nicht die Länder. In der jetzigen Verhandlung zeichnete sich allerdings ab, dass das Gericht nun eine strengere Begründungen für einen Mehrbedarf verlangen will.

(Bericht von Ursula Knapp und Christian Krämer. Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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