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04.07.2024 /14:57:03
FOKUS 2-EU erhebt Strafzölle auf E-Autos aus China ab Freitag

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Vorläufige Zölle für vier Monate

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Gespräche von EU und China gehen weiter

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Autoindustrie stemmt sich weiter dagegen

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EU-Staaten und Ökonomen geteilter Meinung
 
(Neu: EU, VDA, Porsche)
Brüssel/Frankfurt, 04. Jul (Reuters) -

Die umstrittenen EU-Strafzölle auf subventionierte Elektroautos aus China treten am Freitag vorläufig für vier Monate in Kraft - doch das letzte Wort ist darüber noch nicht gesprochen. Die Gespräche mit China gingen weiter, die Zölle könnten bei einer für alle Seiten vorteilhaften Lösung fallen gelassen werden, sagte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis am Donnerstag. "Aber es ist sehr klar, diese Lösung müsste die derzeit herrschende Marktstörung beheben", ergänzte er dem Sender Bloomberg TV. Auch China schlug die Tür für Gespräche nicht zu. Die Regierung setze auf Fortschritt in den Verhandlungen, sagte ein Ministeriumssprecher. Die deutsche Autoindustrie, teils selbst von den Zöllen betroffen, bekräftigte ihre Kritik an dem Plan, einen Ausgleichszoll von 17,4 bis 37,6 Prozent zusätzlich auf den Standardsatz von zehn Prozent zu erheben.

Die Kommission begründete ihre Entscheidung erneut mit
unfairen Wettbewerbsvorteilen durch hohe Subventionen für
E-Autos aus China passte. Das gefährde die europäischen
Autobauer und ihre Umstellung auf Elektromobilität.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zum Auftakt
der Anti-Dumping-Prüfung im Herbst vor einer Flut billiger
E-Autos aus China gewarnt, die sich bisher aber stark in Grenzen
hält. Die Zölle treffen auch die E-Autoproduktion europäischer
Hersteller in China, dem wichtigsten Absatzmarkt der deutschen
Autobauer. Sie sorgen sich, dass China darauf mit Zollerhöhungen
reagiert. Nicht nur Importe von Cognac oder Schweinefleisch,
sondern auch Oberklasseautos aus Europa könnten sich verteuern.

"Die Einführung zusätzlicher Importzölle führt in eine Sackgasse", erklärte BMW <BMWG.DE>-Chef Oliver Zipse. Sie schadeten den global agierenden Unternehmen, schränkten das Angebot an E-Autos ein und bremsten die Dekarbonisierung. "Die negativen Auswirkungen dieser Entscheidung überwiegen den etwaigen Nutzen für die europäische und insbesondere die deutsche Automobilindustrie", sagte ein Sprecher von Volkswagen <VOWG_p.DE>. Der Verband der Automobilindustrie appellierte an die EU und China, sich um eine Verhandlungslösung zu bemühen. Der Sportwagenbauer Porsche <P911_p.DE> forderte konkurrenzfähige Standortbedingungen, um Europa widerstandsfähig zu machen. Porsche hat in China keine lokale Produktion und würde besonders unter Gegenzöllen leiden.

Von EU-Beamten hieß es, die deutschen Autobauer hätten
wegen der großen Bedeutung ihres wichtigsten Absatzmarktes China
eine zu kurzfristige Betrachtung. Die EU-Kommission müsse
langfristig denken. Der europäische Markt sei für China weit
offen. Mit der Autoindustrie dürfe nicht dasselbe passieren wie
der von chinesischen Herstellern verdrängten Solarindustrie.
CHINA MÜSSTE SUBVENTIONEN ABSCHAFFEN

Im Vergleich zur ersten Ankündigung reduzierte die EU-Kommission die Aufschläge leicht und reagierte damit auf Einwände gegen ihre Berechnung. Die Zölle verteuern chinesische Modelle von MG oder Nio <9866.HK>, aber auch dort gebaute wie den Mini von BMW, den Smart von Mercedes-Benz <MBGn.DE> und Geely <0175.HK> oder das Model 3 von Tesla <TSLA.O>.

Bis November will die EU endgültig über die Zölle entscheiden, die die Unternehmen bis dahin nicht zahlen, aber garantieren müssen. Sie würden mit Billigung der EU-Mitgliedstaaten fünf Jahre gelten. Die EU-Länder sind allerdings gespalten in dieser Frage: Während Deutschland gegen die Ausgleichszölle ist, werden sie von Frankreich, Italien und Spanien befürwortet. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist noch unentschlossen, wie eine Umfrage von Reuters ergab. Die endgültigen Zölle können nur mit einer qualifizierten Mehrheit gekippt werden. Dazu kam es bei Strafzöllen selten, die Schwelle ist hoch: Es müssten 15 der 27 Mitgliedsstaaten mit einem Anteil von zusammen 65 Prozent der Bevölkerung dagegen stimmen.

Auch Volkswirte in Deutschland sind nach einer Umfrage des Ifo-Instituts geteilter Meinung - etwa die Hälfte der befragten rund 160 Ökonomen hielt die Strafzölle für gerechtfertigt, nur ein Drittel war dagegen. Experten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) und des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) gehen davon aus, dass durch die Zölle die Einfuhren von Elektroautos aus China um 42 Prozent sinken werden. Dieser Rückgang werde durch höhere Verkäufe europäischer Hersteller sowie durch vermehrte Importe aus anderen Ländern zum größten Teil ausgeglichen. "Prinzipiell reagiert die EU zu Recht mit Ausgleichszöllen auf die verzerrenden Handelspraktiken Chinas", sagte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr.

(Bericht von Philip Blenkinsop, Ilona Wissenbach, Christina Amann, Victoria Waldersee, Josephine Mason. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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