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14.09.2024 /10:25:24
INTERVIEW-Verband - Elektro-Laster bisher nur "Schaufensterprojekte"

- von Ilona Wissenbach
Frankfurt, 14. Sep (Reuters) - Trotz des wachsenden
Angebots an emissionsfreien Lkw kommt die Verkehrswende im
Transportsektor kaum vom Fleck: "Die Transformation im schweren
Nutzfahrzeugbereich ist mehr als stockend", sagte der
Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und
Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, der Nachrichtenagentur
Reuters. Nach Daten des Mautkassierers Toll Collect waren von
etwa 800.000 Lastwagen, die im Juli in Deutschland unterwegs
waren, nur 528 mautbefreite E-Fahrzeuge. "Wir haben einige große
Unternehmen, die besorgen sich mal ein, zwei E-Lkw, das sind
aber hauptsächlich Schaufensterprojekte", sagte der BGL-Chef in
dem am Samstag veröffentlichen Interview. "Der Mittelstand, der
über 80 Prozent der Transporte ausmacht, investiert im Moment
nicht."

Auf der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation in der kommenden Woche in Hannover stellen Hersteller wie Daimler <DTGGe.DE>, MAN <8TRA.DE> oder Volvo die klimafreundlichen Neuheiten in den Mittelpunkt. Einen Umschwung mit großen Stückzahlen im Segment der Schwerlaster lässt nach Engelhardts Einschätzung aber noch länger auf sich warten. "Wir wollen die E-Mobilität, aber es wird erst was zum Ende des Jahrzehnts." Bei Transportern und kleineren Lastern für den Verteiler- und Regionalverkehr gehe es schneller. Für die Langstrecke werde sich neben der Batterie die Brennstoffzelle oder synthetischer Kraftstoff etablieren. "Wir werden mit Sicherheit über das Jahr 2030 hinaus benötigen, um das dauerhaft umzustellen."

HOHE KOSTEN - KEINE FÖRDERUNG

Hohe Anschaffungskosten, fehlende Ladeinfrastruktur und ein Mangel an günstigem Grünstrom hielten die Spediteure bisher davon ab, sich vom klimaschädlichen konventionellen Diesel-Antrieb zu verabschieden, erklärte Engelhardt. "Der Bund hat nach dem Haushaltsurteil aus Karlsruhe die Fördermittel auf Null heruntergefahren." Damit seien die Fahrzeuge für die meisten Firmen schlicht zu teuer. Denn ein batterieelektrischer Lkw ist in der Anschaffung zwei bis drei Mal so teuer wie ein Diesel, der rund 100.000 Euro kostet. Ein Lkw mit Wasserstoffantrieb koste sogar fünf bis sechs Mal soviel. Die Frachtkunden seien aber, abgesehen von wenigen Leuchtturmprojekten, nicht bereit, höhere Frachtpreise zu bezahlen. "Für das Gros der Transporte bekommt noch immer der billige Jakob den Zuschlag - Anbieter aus Osteuropa, die mit Diesel fahren."

Ein Manko bei E-Lkw sei das hohe Gewicht der Batterie, durch das die Nutzlast eines 40-Tonners von 25 um vier Tonnen verringert sei. "In der EU gibt es zwar schon eine Einigung, zwei Tonnen mehr Gewicht freizugeben ? aber gerade Deutschland sperrt sich wegen maroder Brücken gegen einen kompletten Nutzlastausgleich", erklärte Engelhardt.

Bei der Ladeinfrastruktur fehlt es dem BGL-Chef zufolge noch völlig an Schnellladeinfrastruktur, damit die Fahrer unterwegs während ihrer vorgeschriebenen Pause von 45 Minuten Strom tanken können. Der Kauf von Ladestationen für den eigenen Betriebshof scheitere an sechsstelligen Kosten. Die Stromleitungen sind oft nicht für den hohen Bedarf ausgerichtet, und die Genehmigung neuer Hochspannungsleitungen dauert jahrelang.

187.500 WINDRÄDER NUR FÜR DEN VERKEHR

Wirklich klimaschonend wären die E-Laster außerdem nur, wenn sie zu 100 Prozent mit Grünstrom geladen werden könnten. Der BGL hat berechnet, was es heißt, wenn dieser vollständig hierzulande gewonnen werden müsste. "Für genügend Grünstrom allein für den Verkehrssektor bräuchten wir in Deutschland 187.500 weitere Windkraftanlagen oder 61 Kernkraftwerke", sagte Engelhardt. "Beim jetzigen Strommix mit 50 Prozent erneuerbarer Energie emittiert ein Diesel-Lkw bei ganzheitlicher Betrachtung nicht mehr CO2 als ein E-Laster, nämlich 65 kg CO2 pro 100 Kilometer." (Stand heute: 29.000 Windräder auf dem Festland)

Der Interessenvertreter der Transportbranche fordert als Hebel, den Investitionsstau aufzulösen, die Milliardeneinnahmen aus der Lkw-Maut der Branche zum Finanzieren der Klimawende zur Verfügung zu stellen. Es genüge nicht, dass die EU-Kommission der Branche die CO2-Reduktionsziele für Neufahrzeuge von 45 Prozent bis 2030 gegenüber 2019 vorschreibt. Der Staat müsse Geld in den Aufbau der Ladeinfrastruktur stecken und den Firmen wieder Investitionszuschüsse geben. "Was uns am meisten ärgert: Es ist genug Geld da", sagte Engelhardt. "Wir zahlen jedes Jahr 15 Milliarden Euro Maut, davon seit diesem Jahr 7,6 Milliarden Euro CO2-Maut." Aber die Milliarden gingen an die Deutsche Bahn und stopften Haushaltslöcher. "Die CO2-Maut wird deshalb null Lenkungswirkung in Richtung Klimaschutz haben."



(Redigiert von ChristianRüttger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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