Nachricht


17.10.2024 /16:15:09
SPOTANALYSE-Finanzexperten zur 3. Zinssenkung der EZB in diesem Jahr

Berlin, 17. Okt (Reuters) - Die EZB reagiert auf die nachlassende Inflationsgefahr mit der bereits dritten Leitzins-Senkung seit dem Sommer. Sie beschloss am Donnerstag auf einer auswärtigen Ratssitzung in Slowenien, den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz um einen Viertelpunkt auf 3,25 Prozent nach unten zu setzen. Der eigentliche Leitzins wurde im selben Umfang gekappt - auf das neue Niveau von 3,40 Prozent. Die Währungshüter hatten im Juni die Zinswende eingeleitet und im September nachgelegt.

Finanzexperten sagten dazu in ersten Reaktionen:

CYRUS DE LA RUBIA, CHEFÖKONOM HCOB BANK:

"Christine Lagarde legte sich bezüglich weiterer Zinsschritte nicht fest, sondern betonte mehrmals, dass man datenabhängig sei. Gleichzeitig deutete sie an, dass die bei der nächsten Sitzung die Inflationsprognose nach unten korrigiert werden könnte, was sicherlich eine wichtige Voraussetzung wäre, um erneut den Leitzins zu senken.

Interessant war auch, dass Lagarde die Konjunktur- und Inflationsdaten als sehr eindeutig beschrieb, alle würden nach unten weisen, sowohl Umfragen als auch die harten Daten. Dabei gab es in Deutschland zuletzt positive Einzelhandelsumsätze und auch der ZEW hat sich verbessert. Das deutet darauf hin, dass die Wahrnehmung etwas negativ verzerrt ist und die EZB durchaus plant, die Leitzinsen ein weiteres Mal zu senken. Alles andere wäre in der Tat überraschend. Eine Zinssenkung um 50 Basispunkte im Dezember wurde nicht komplett ausgeschlossen."

THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

"Christine Lagarde betonte weiter die Datenabhängigkeit der Notenbank und dass die geldpolitischen Entscheidungen ebenfalls weiterhin von Sitzung zu Sitzung getroffen würden. Eine Vorfestlegung gibt es also nicht. Die EZB dürfte aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ihrer nächsten Sitzung im Dezember nochmals mit einer Zinssenkung im Umfang von 25 Basispunkten aufwarten. Alles andere wäre in Anbetracht der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung eine Überraschung. Und auch im kommenden Jahr dürften noch weitere Zinssenkungen folgen. Wie stark der Leitzins zurückgeht, wird von der Lohnentwicklung abhängen. Die Arbeitnehmerforderungen lassen darauf schließen, dass die Leitzinsen im Vergleich zur Vor-Corona-Ära auf erhöhtem Niveau zum Liegen kommen werden."

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW-INSTITUT:

"Die schnelle dritte Zinssenkung seit Juni steht im Einklang mit den Rahmendaten. Die Euro-Inflationsrate ist unter zwei Prozent abgesackt und die Wachstumsprognosen gefallen. Der Rückgang der Inflation würde bei konstanten Zinsen die Realzinsen steigen lassen. Das wäre konjunkturpolitisch falsch. Daher ist diese Zinssenkung geldpolitisch gut begründet. Bemerkenswert ist, dass sich aktuell die fallenden Leitzinsen nicht in sinkende Renditen für langfristige Euro-Staatsanleihen übertragen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Märkte nicht an eine inflationsfreie Zukunft glauben."

ULRICH KATER, CHEFÖKONOM DEKABANK:

"Die EZB drückt leicht aufs Tempo bei den Zinssenkungen. Sie zollt damit der enttäuschenden Konjunkturentwicklung im Euroraum und in Deutschland Tribut. Es handelt sich aber eher um einen vorsorglichen Schritt als um eine dringende Notwendigkeit. Das Gesamtbild zu Inflation und Konjunktur bleibt bestehen und damit auch der weitere Zinspfad, der ab Dezember eher quartalsweise Lockerungen vorsieht. Kreditkonditionen, etwa bei Hypothekenkrediten werden kaum noch sinken, da sie die Entwicklung bei den Leitzinsen bereits Monate im Voraus vorweggenommen haben."

CHISTIAN DUSTMANN, ROCKWOOL FOUNDATION BERLIN:

"Das ist ein gutes Signal für die Wirtschaft und die Bürger der Eurozone. Niedrigere Zinsen erleichtern mehr Konsum und mehr Investitionen. Das hilft am Ende auch bei den Arbeitsplätzen."

HEINER HERKENHOFF, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER BANKENVERBAND (BDB):

"Die EZB ist gut beraten, ihre künftige Zinspolitik nicht auf 'Autopilot' zu stellen. Die Währungshüter sollten Erwartungen klar entgegentreten, dass die Leitzinsen nun in den nächsten Sitzungen kontinuierlich gesenkt werden. Dies gilt umso mehr, als die Inflationsrate in den kommenden Monaten allein aufgrund statistischer Effekte wieder anziehen wird."

SEBASTIAN DULLIEN, GEWERKSCHAFTSNAHES IMK-INSTITUT:

"Angesichts der Verzögerung, mit der die Geldpolitik wirkt, und der anhaltenden Wirtschaftsschwäche ist es höchste Zeit, die geldpolitische Restriktion zu beenden. Davon ist die EZB aber noch weit entfernt und die Zinsen werden selbst nach der für Dezember zu erwartenden Leitzinssenkung auf drei Prozent die Wirtschaftsentwicklung weiter bremsen. Damit verhindert die Geldpolitik dringend erforderliche Investitionen in die Dekarbonisierung sowie Produkt- und Prozessinnovationen, die die Unternehmen benötigen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Außerdem riskiert sie ein hartnäckiges Unterschießen des Inflationsziels. Die EZB sollte daher im Dezember einen größeren Zinsschritt um einen halben Prozentpunkt wagen und bereits in den kommenden Wochen den zeitnahen Ausstieg aus der Restriktion signalisieren."

JÖRG ASMUSSEN, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DES GESAMTVERBANDS DER

DEUTSCHEN VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT (GDV):

"Die heutige Entscheidung der EZB, den Leitzins um 25 Basispunkte zu senken, ist folgerichtig angesichts einer Inflationsrate unter zwei Prozent und schwacher Konjunkturaussichten. Dennoch ist der Schritt nicht ganz ohne Risiko, denn zuletzt wurde der Desinflationsprozess durch starke Rückgänge der Energiepreise getrieben. Angesichts der Eskalation im Nahen Osten könnte es damit nun vorbei sein. Gleichzeitig ist die Dienstleistungsinflation weiter zu hoch. Die EZB muss nun genau beobachten, ob sich insbesondere der Anstieg der Löhne wie erwartet abschwächt oder nicht."

(Bericht von Klaus Lauer, Mitarbeit: ReneWagner;-Bei
Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter
berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur)
oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und
Märkte).)
Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.