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12.11.2024 /18:58:24
STICHWORT-Welche Gesetze können bis zur Neuwahl noch beschlossen werden?

(Neu:Ergänzung der Projekte)
12. Nov (Reuters) - Nachdem die Termine für
Vertrauensfrage und Neuwahlen bestimmt wurden, richtet sich der
Blick auf die Frage, welche Gesetze die rot-grüne
Minderheitsregierung noch durch den Bundestag bringen kann. Die
Chancen für ihre Verabschiedung sind sehr unterschiedlich - SPD
und Grünen könnten einige Projekte mit der FDP, andere mit der
Union beschließen. CDU-Chef Friedrich Merz kündigte an, dass die
Unionsfraktion aber bis auf wenige Ausnahmen Beschlüsse nur
nach der Vertrauensfrage des Kanzlers am 16. Dezember mittragen
wolle.
PROJEKTE MIT GROSSEN CHANCEN

- VERFASSUNGSGERICHT: Die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP hatte sich darauf verständigt, die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. Die dafür nötige Grundgesetzänderung muss im Bundestag mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Befürchtet wird, dass AfD und BSW nach der Bundestagswahl eine Sperrminorität haben werden und das Vorhaben blockieren könnten. Ziel ist es, Deutschlands höchstes Gericht vor politischer Einflussnahme zu schützen. Rechtspopulisten in Polen und Ungarn haben gezeigt, dass sie nach Übernahme der Macht die Justiz als erstes ins Visier nehmen.

- BUNDESWEHRMANDATE: Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei kündigte an, dass man die Verlängerung von vier Mandaten für Auslandseinsätze der Bundeswehr mittragen werde, die bis Ende Februar anstünden.

- TELEKOMMUNIKATIONSÜBERWACHUNG: Sowohl SPD als auch Union kündigten an, dass sie noch das Gesetz für die Verlängerung der Telekommunikationsüberwachung bei Einbrüchen beschließen wollen, weil die bestehende Regelung Ende des Jahres ausläuft. Dieses wird als "Huckepack"-Gesetz zusammen mit der sogenannten Höfeordnung beschlossen, die in Norddeutschland Betriebsübernahmen erleichtern soll.

PROJEKTE MIT UNKLARER AUSSICHT

- DEUTSCHLANDTICKET: Der deutschlandweite Monatsfahrschein im Nahverkehr soll ab nächstes Jahr 58 Euro kosten. Bund und Länder wollen je 1,5 Milliarden Euro geben, was bereits im beschlossenen Gesetz verankert ist. Für das Ticket sollen auch etwa 300 Millionen Euro eingesetzt werden, die 2023 aufgrund der Einführung erst ab Mai übrig geblieben sind. Diese Übertragung der Mittel muss im Regionalisierungsgesetz verankert werden, was noch nicht beschlossen ist. Zudem arbeiteten Bund und Länder daran, die Finanzierung auch über 2026 zu sichern. Alle Länder inklusive Bayerns standen hinter dem Plan. Bayerns Regierungschef Markus Söder äußerte nun aber, dass die Länder von der Finanzierung ausgenommen werden sollen. Das würde das Deutschlandticket insgesamt infrage stellen. Andere Ministerpräsidenten dringen auf einen Beschluss.

- STEUERN UND KINDERGELD: Gesetzesvorlagen der Ampel sehen die Anhebung des steuerfreien Existenzminimums vor. Darüber hinaus wollte die Ampel auch die inflationsbedingte kalte Progression bei den Steuertarifen dämpfen und so eine Milliarden-Entlastung beschließen. Bisher hatten die Grünen Vorbehalte. Doch zeigte sich ihre Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann kompromissbereit: "Wir können uns das vorstellen als Bündnis 90/Die Grünen." Auch eine Erhöhung des Kindergeldes um fünf Euro auf 255 Euro steht noch im Raum.

Die Verabschiedung ist aber unsicher: Unions-Fraktionschef Friedich Merz will dies nicht mitmachen und verweist darauf, dass eine neue Regierung auch Beschlüsse mit rückwirkender Wirkung treffen könne. Allerdings hat FDP-Chef Christian Lindner angekündigt, dass die FDP hierbei mit SPD und Grünen stimmen könnte - schließlich will er sich die Abmilderung der Kalten Progression auf die Fahnen schreiben.

-SICHERHEITSGESETZE: Das Innenministerium will das gerade vom Kabinett beschlossene KRITIS-Dachgesetz noch durch den Bundestag bringen. Es sieht strengere Auflagen für Firmen im Bereich der kritischen Infrastruktur vor. Ähnlich wie bei der nationalen Umsetzung der europäischen NIS2-Richtlinie zur Cybersicherheit galt die Zustimmung der Union für die Projekte eigentlich als sicher.

PROJKETE OHNE CHANCE AUF BESCHLUSS

- HAUSHALT: Beim Bundeshaushalt dürfte sich kaum noch etwas tun - weder beim geplanten Nachtragshaushalt für 2024 noch beim Entwurf für 2025. "Der Haushalt 2025 ist Geschichte, daran arbeitet hier keiner mehr", hieß es bei Haushältern. Der Bund wird ab Anfang 2025 auf eine vorläufige Haushaltsführung angewiesen sein. Damit sind alle Ausgaben gewährleistet, zu denen sich der Bund verpflichtet hat - bei Rüstungsvorhaben, aber auch bei Pflichtleistungen wie dem Bürgergeld oder Zuschüssen zur Rentenversicherung. Die Union will laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei, auch keinen Sonderbeschluss über Ukraine-Hilfen. Die eingeplanten vier Milliarden Euro im Haushaltsansatz 2025 könnten auch ohne Etatbeschluss ausgegeben werden und reichten für die kommenden Monate bis zur Neuwahl.

Neuen Vorhaben müsste Finanzminister Jörg Kukies (SPD) zustimmen. Auch aus der eigentlich für kommenden Freitag geplanten Verabschiedung des Nachtragsetats für 2024 dürfte nichts werden, da weder Union noch FDP ihn mittragen wollen. Formal kommt der Nachtrag aber wohl auf die Tagesordnung des Bundestages, um an den Haushaltsausschuss zurücküberwiesen zu werden. Dabei will die Union mitstimmen.

- RENTENPAKET: Für die SPD hätte die geplante Garantie für ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent des Durchschnittslohns der größte sozialpolitische Erfolg in der Ampel-Koalition werden sollen. Die FDP wollte ihrerseits eine über die Kapitalmärkte gestützte Aktien-Rente auf den Weg bringen. Doch das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) einst gemeinsam geschnürte Paket wurde von der FDP-Fraktion trotz der ausdrücklichen Zustimmung von Lindner bisher ausgebremst. Eine Mehrheit für das Vorhaben ist derzeit nicht in Sicht.

-GEMEINSAMES EUROPÄISCHES ASYLSYSTEMS (GEAS):

Innenministerin Nancy Faeser hat Gespräche mit Union und FDP angekündigt. Aber die Union hat signalisiert, dass sie zu einer schnellen Verabschiedung nicht bereit sei.

- WEHRDIENST: Das Bundeskabinett hatte den Plan von Verteidigungsminister Boris Pistorius bereits verabschiedet, wonach zusätzliche Wehrdienstleistende ohne Zwang rekrutiert werden sollten. Im Kern wollte Pistorius, dass alle wehrfähigen Männer und Frauen einen Fragebogen zu deren Haltung zur Bundeswehr zugesandt bekommen. Die Männer hätten diesen Fragebogen verbindlich beantworten müssen. Diejenigen, die den Kriterien der Bundeswehr am besten entsprechen und am meisten interessiert sind, sollten demnach zu einer Musterung eingeladen werden. Der Minister wollte damit 5000 zusätzliche Wehrdienstleistende pro Jahr anheuern.

(Zusammengestellt von Andreas Rinke, Holger Hansen, Alexander Ratz und Markus Wacket; redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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