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02.01.2025 /16:00:00
Aktivistische Investoren auf dem Vormarsch - nur nicht in Europa

New York, 02. Jan (Reuters) - So viele aktivistische Investoren wie nie setzen weltweit das Top-Management von Großkonzernen unter Druck. Der Investor Elliott - einer der wenigen, die auch in Deutschland aktiv sind - attackierte die Kaffeekette Starbucks <SBUX.O> und die Fluggesellschaft Southwest Airlines <LUV.N>. Nelson Peltz' Trian Fund Management blitzte mit seinen Forderungen nach einem neuen Chef für den Unterhaltungskonzern Disney <DIS.N> zwar ab, stieg aber mit Gewinn wieder aus. Nach einer Studie der britischen Investmentbank Barclays tummeln sich in dem Geschäft inzwischen 160 Hedgefonds und andere Investoren, 45 davon traten dabei im vergangenen Jahr zum ersten Mal in Aktion. Das sind 18 Prozent mehr Aktivisten als ein Jahr zuvor.

"2024 fühlte es sich fast an wie eine Aktionärsrevolte", sagte Jim Rossman, der die Branche für Barclays beobachtet. 243 Kampagnen gegen Unternehmen, ihre Führung und ihre Strategien haben die Investmentbanker gezählt, 14 mehr als 2023, aber sechs weniger als im bisherigen Rekordjahr 2018.

Und es könnten 2025 noch mehr werden. Allein im vierten Quartal 2024 wurden zwei Drittel mehr Kampagnen gestartet als im dritten. "Anleger sind nicht mehr bereit, tatenlos abzuwarten, bis sich die versprochenen Verbesserungen einstellen. Sie sagen: Wir wollen, dass sich jetzt gleich etwas ändert", sagt Rossman. Den aktivistischen Fonds reicht meist ein kleiner Aktienanteil von wenigen Prozent, um etwas zu bewegen. Stoßen sie mit ihren Forderungen beim Unternehmen auf Widerstand, suchen sie die Öffentlichkeit. Oft folgen ihnen dann "normale" Investoren wie große Investmentfonds, was ihre Schlagkraft deutlich erhöht. Die Ungeduld zahlt sich aus: Investoren zufolge erwirtschaften große Aktivisten Renditen von bis zu 30 Prozent. Zum Vergleich: Der S&P-500-Index der 500 wichtigsten US-Börsenwerte stieg 2024 um gut 23 Prozent.

VORSTANDSWECHEL STATT VERKAUF DES UNTERNEHMENS

Dabei hat sich die Taktik der aktivistischen Investoren laut Barclays in den vergangenen Jahren geändert. Pochten sie 2021 vor allem auf Fusionen und Übernahmen, um den Wert der Firmen zu steigern, rückten zuletzt mehr und mehr operative Veränderungen und Forderungen nach einem Strategiewechsel in den Vordergrund - oft verbunden mit einem Wechsel an der Führungsspitze. Nur in 22 Prozent der Kampagnen ging es 2024 um den Verkauf von Teilen oder des ganzen Unternehmens; drei Jahre vorher waren es noch 43 Prozent. 27 Konzernchefs beugten sich 2024 nach Barclays-Zählung dem Druck der Aktivisten, so viele wie nie. Auch dem Abgang der Chefs von Starbucks <SBUX.O> und des US-Chipherstellers Wolfspeed <WOLF.N> gingen Aktionärsattacken voraus.

Die größte Aufmerksamkeit zogen Aktivisten wie gewohnt in den USA auf sich, wo allein 115 Kampagnen losgetreten wurden, sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. Daneben haben sie aber inzwischen auch Asien entdeckt - vor allem Japan und Südkorea, wo sich unter anderem Tokyo Gas und Nippon Steel mit aggressiven Anlegern herumschlagen mussten. Dagegen sind die Angriffe in Europa Barclays zufolge seltener geworden. Laut Experten liegt das auch am dualistischen System mit Vorstand und Aufsichtsrat, das es Aktivisten erschwert, mit ihren Forderungen durchzudringen.

Die größten Schlagzeilen im deutschsprachigen Raum machte der Schweizer Versicherer Baloise <BALN.S>, wo der Einstieg des Investors Cevian zu einem Umbau im Verwaltungsrat, höheren Ausschüttungen und ehrgeizigeren Renditezielen geführt hat. Der Investor Sachem Head hat sich bei Delivery Hero <DHER.DE> einen Platz im Aufsichtsrat gesichert. Vorstandschef Niklas Östberg, den der US-Aktivist Insidern zufolge kritisch sieht, sitzt allerdings noch fest im Sattel. Spekuliert wird, dass Sachem Head auf eine Fusion von Delivery Hero mit dem britischen Rivalen Deliveroo drängt, an dem der Investor ebenfalls beteiligt ist.

Der Leverkusener Agrar- und Pharmakonzern Bayer <BAYGn.DE> stand angesichts des Absturzes an der Börse lange im Fokus von Aktivisten - die aber seit dem Führungswechsel auf Bill Anderson still geworden sind. Einer der lautesten Kritiker, Bluebell Capital Partners aus London, kündigte im Dezember sogar an, seinen Hedgefonds aufzulösen, weil Aufwand und Ertrag in einem Missverhältnis stünden.

(Bericht von Svea Herbst-Bayliss und Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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