Warschau, 14. Mai (Reuters) - Vor der Präsidentschaftswahl in Polen haben die Behörden möglicherweise eine ausländische Onlinekampagne zur Wahlbeeinflussung aufgedeckt. Das polnische Nask-Zentrum zur Analyse von Desinformation verwies am Mittwoch auf groß angelegte politische Werbung auf Facebook. Die an der Kampagne beteiligten Nutzerkonten hätten dabei in den vergangenen sieben Tagen mehr ausgegeben als jedes Wahlteam, hieß es in einer Mitteilung. Mögliche Verantwortliche wurden nicht genannt. Die Facebook-Mutter Meta <META.O> sei um eine Sperrung der Konten gebeten worden, die Sicherheitsbehörden seien informiert. Meta wies einen Missbrauch seines sozialen Netzwerks zurück. "Wir sehen keine Anhaltspunkte für eine Einmischung aus dem Ausland."
Am Sonntag findet die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Amtsinhaber Andrzej Duda darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Stattdessen stehen der liberale Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski von der regierenden Bürgerplattform sowie der Historiker Karol Nawrocki und der Nationalist Slawomir Mentzen zur Wahl. Umfragen zufolge liegt Trzaskowski in Führung, dürfte sich demnach jedoch erst bei der zweiten Runde am 1. Juni durchsetzen. Seine beiden Konkurrenten sind Anhänger von US-Präsident Donald Trump und wollen wie er einen harten Kurs gegen die Migration fahren. Alle drei Kandidaten haben sich zur weiteren Unterstützung der Ukraine bekannt, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß.
Der Leiter der NASK-Abteilung für Faktenprüfung, Andrzej Kozlowski, sagte dem Sender TVP Info, die aufgedeckte Onlinekampagne unterstütze scheinbar Trzaskowski und diskreditiere Nawrocki und Mentzen. Allerdings könnte dies auch als gezielte Provokation geplant sein, um gerade Trzaskowski zu diskreditieren und das Land zu destabilisieren. Digitalminister Krzysztof Gawkowski sagte, für die Kampagne seien "Hunderttausende Zloty" ausgegeben worden. Vier Zloty entsprechen grob einem Euro. Es sei nicht klar, ob Russland verantwortlich sei, sagte Gawkowski weiter.
Gawkowski hatte jüngst von einem "beispiellosen Versuch der Einmischung in den Wahlablauf von russischer Seite" gesprochen. Polen hat unter Hinweis auf seine Rolle als Drehscheibe für Hilfslieferungen an die Ukraine erklärt, man sei wohl ein Hauptziel für russische Spionage, Sabotage und Cyberangriffe. Im Dezember brach Rumänien die Präsidentenwahl wegen Vorwürfen einer russischen Einmischung zunächst ab. Die Regierung in Moskau wies dies wie auch alle derartigen Vorwürfe stets zurück.
(Bericht von Karol Badohal, Pawel Florkiewicz, Justyna Pawlak und Alan Charlish Geschrieben von Scot W. Stevenson, redigiert von Sabine Ehrhardt Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)